Digitalisierung: Traditionsbanken punkten gegenüber Neobanken

München, Im europäischen Ländervergleich behaupten sich die deutschen Banken beim Thema Digitalisierung weiterhin im Mittelfeld. Den ausgereiftesten Digitalisierungsgrad kann Spanien vorweisen. Beim Blick auf den innerdeutschen Wettbewerb zeigt sich, dass etablierte Traditionsbanken wie die Sparkassen oder die Deutsche Bank den Neobanken in puncto Digitalisierung den Rang ablaufen.

Während spanische Kreditinstitute nach wie vor (Vergleich Ergebnisse 2021) ihre Hausaufgaben in puncto Digitalisierung gemacht haben, können ihre deutschen Pendants die Lücke nicht schließen. So befindet sich Deutschland in der Gesamtwertung mit 4,6 von 10 möglichen Punkten auf Platz 5 und damit weiterhin lediglich im Mittelfeld. Den Spitzenplatz sichert sich Spanien mit 5,1 Punkten, gefolgt von Österreich (4,8 Punkte) und Portugal (auch 4,8 Punkte). Schlusslichter im Ranking sind Großbritannien (4,4 Punkte), sowie die Niederlande und Italien mit 4,2 Punkten. „Die wiederholte Platzierung der deutschen Banken im Mittelfeld lässt sich damit begründen, dass es trotz stetiger Verbesserungen in den letzten Jahren keine größeren Innovationen und Ausweitung der digitalen Angebote in der Breite gab, um den bestehenden Abstand aufzuholen,“ erläutert Isabel Matheja, Principal, Retail Banking & Wealth Management bei Oliver Wyman.

Vorsprung von Neobanken schwindet

Beim Blick auf die 14 untersuchten deutschen Banken fällt auf, dass die Sparkassen das Feld anführen (mit 6,05 Punkten), gefolgt von der Deutschen Bank mit 5,4 Punkten, der ING mit 5,2 Punkten und der Consorsbank mit 5,1 Punkten. Erst danach folgt mit N26 auf Platz 5 die erste Neobank mit 5,0 Punkten. Weit abgeschlagen auf den letzten Plätzen befinden sich Revolut und C24 mit jeweils 3,9 Punkten und bunq mit unterdurchschnittlichen 3,4 Punkten. „Daran zeigt sich, wie konsequent sich viele der Traditionshäuser in den letzten Jahren mit ihrem digitalen Kundenangebot auseinandergesetzt haben, während bei Neobanken und teils auch den rein digitalen Anbietern die App-Innovationen nachgelassen haben, und insbesondere auch die Web-Fähigkeiten nicht wesentlich weiter ausgebaut wurden“, resümiert Isabel Matheja. Naturgemäß verfügen Neobanken über weniger Funktionalitäten und haben ein nur begrenztes Web-Angebot – jedoch ist der Web-Kanal mit ca. 40% der Produktkäufe weiterhin der stärkste digitale Kanal (Oliver Wyman Umfrage unter 1500 Retail-Bankkunden, 2023).

Große Unterschiede zwischen Web- und App-Funktionalitäten

Nur wenige Banken verfügen über ähnliche Funktionen in Web und App – meistens lässt sich ein sogenannter „Web-App Gap“ feststellen. Denn während die etablierten Banken wie die Sparkassen oder die Deutsche Bank führend im Bereich Online-Banking sind, punkten die Neobanken vor allem im App-Bereich. Neuere Banken wie Revolut fehlt es vor allem an validen Web-Funktionen. „Aufgrund der stetig ansteigenden App-Nutzung und weiterhin relevanten Web-Nutzung sollten alle Banken versuchen, den Abstand zwischen Web und App möglichst schnell zu schließen, um beide Kanäle möglichst nahtlos bedienen zu können,“ so Isabel Matheja.

ESG bisher eine Randerscheinung

Zudem wurde im Rahmen des Digital Banking Index 2023 separat die Aufstellung im Hinblick auf ESG-Faktoren untersucht. Das Thema ESG (Environmental, Social and Corporate Governance) ist bei den meisten deutschen wie auch europäischen Banken bisher noch eher eine Randerscheinung. Bei den deutschen Banken bieten nur drei der untersuchten Institute ESG-Funktionalitäten (z.B. Messung des persönlichen CO2-Fußabdrucks, Angebot einer nachhaltigen Bankkarte) an, darunter finden sich sowohl Neobanken als auch etablierte Institute.

Fokus auf Mobile und Erweiterung des Serviceangebots 

Um mit den führenden digitalen Innovationen in Europa Schritt zu halten, gibt es weiterhin Handlungsbedarf im Bereich des digitalen Produkt- und Serviceangebots. Dies ermöglicht es Kunden, sämtliche relevante Bankgeschäfte, wie beispielsweise den Abschluss einer Baufinanzierung, vollständig online und über eine App abzuwickeln. Trotz der fortgeschrittenen Entwicklung von Smartphone-Anwendungen in den letzten Jahren liegt der Schwerpunkt traditioneller Banken bisher hauptsächlich auf der Einführung grundlegender Funktionalitäten und weniger innovativer Features. Banken sollten den Fokus daher verstärkt auf Innovationen legen, um den Kunden neue intelligente Funktionen anzubieten. Ein Beispiel hierfür ist das Konzept des "Financial Home", das eine nahtlose Integration mit anderen Banken (Stichwort: Multibanking) und Drittanbietern wie Budget-Apps und Zahlungsplattformen ermöglicht. Zusätzlich wird dies durch die Unterstützung eines digitalen Finanzassistenten realisiert, der intelligente Ausgabensteuerung durch das Festlegen von Limits in Verbindung mit einem Haushaltsbuch sowie Produktangebote auf Grundlage der Transaktionsanalyse ermöglicht.

Über die Studie

Der Digital Banking Index untersucht den Digitalisierungsgrad von Banken aus Kundensicht in den vier Bewertungsdimensionen: Digitaler Vertrieb, Benutzerfreundlichkeit und Betreuung, digitale Innovation und digitales Marketing. Zusätzlich wurden Fragen zum Reifegrad der ESG-Funktionalitäten aufgenommen (die jedoch nicht in die Gesamtbewertung des DBI einfließen). Im Zeitraum zwischen August bis Oktober 2023 wurden knapp 60 Filial- und Direktbanken in Deutschland, Großbritannien, Italien, Frankreich, Portugal, Österreich, den Niederlanden und Spanien analysiert. Für den finalen Score wurden die Fragen und Analysen der vier Dimensionen gleichgewichtet eingebracht. Die zu erreichende Höchstpunktzahl beträgt zehn. Alle Daten basieren ausschließlich auf objektiven Beobachtungen.

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