Studie: Konsumenten hoffen auf gesetzliche Preisdeckel im Supermarkt

München – Angesichts der hohen Preissteigerungen im Lebensmittelsektor wächst der Ruf nach staatlichen Eingriffen. 91 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher stehen gesetzlich festgelegten Preisobergrenzen oder Subventionen für Lebensmittel positiv gegenüber. Nur neun Prozent sind dagegen der Ansicht, dass die Regierung sich aus der Preisbildung heraushalten sollte. Das ist ein zentrales Ergebnis einer Konsumentenbefragung der Strategieberatung Oliver Wyman. Die Teuerung treibt derweil mehr Kundschaft in die Discounter. Klassische Supermärkte verlieren an Boden, wenngleich sie mit ihren günstigen Eigenmarken ein gutes Instrument für die sich abzeichnende Preisschlacht in der Hand halten.

Tankrabatt und Gaspreisbremse: Mit solchen Hilfsangeboten hat die Bundesregierung in der Krise vorgelegt – nun fordert ein Großteil der Verbraucherinnen und Verbraucher auch beim Lebensmitteleinkauf Rückendeckung vom Staat. Laut einer repräsentativen Befragung der Strategieberatung Oliver Wyman hält die überwiegende Mehrheit (91 Prozent) Interventionen für geboten. Nur neun Prozent lehnen staatliche Eingriffe am Supermarktregal ab. „Die Kundschaft erlebt die Teuerung bei Lebensmitteln als so schwerwiegend, dass sie alle Wege nutzen möchte, um wieder günstiger einkaufen zu können“, erläutert Vanessa Seip, Studienleiterin und Principal bei Oliver Wyman in der Handels- und Konsumgüter-Praxisgruppe, die Ende Oktober erhobenen Zahlen. 1.000 Konsumentinnen und Konsumenten wurden in Deutschland befragt. 

Doch wie sind die stark gestiegenen Preise in den Griff zu bekommen? An Vorschlägen für staatliches Eingreifen mangelt es nicht. 48 Prozent der Befragten befürworten eine Obergrenze für Preissteigerungen je nach Produktgruppe, 33 Prozent sehen staatlich gesetzte Preisdeckel als Lösung, 23 Prozent fordern die Erlaubnis für Kampfpreise auch unter Einstandsniveau. Immerhin noch zehn Prozent fänden es richtig, wenn Kantinenessen staatlich subventioniert würde. „Das hohe Maß an Unzufriedenheit mit der Situation setzt alle Handelsunternehmen und letztlich auch die Hersteller unter Druck“, sagt Seip. „Anders als in der Coronakrise, als Verbraucher ihren Händlern und deren Schutzkonzepten ein gutes Zeugnis ausgestellt haben, fühlen sie sich in Zeiten der Inflation alleingelassen.“

Kundenbindung leidet unter dem Preisdruck

Die wachsende Enttäuschung spiegelt sich in der Umfrage: Bewerteten im Jahr 2020 noch 79 Prozent aller Konsumenten die Leistung des Einzelhandels als gut oder sehr gut, rutschte der Wert hierzulande binnen zwei Jahren auf 36 Prozent ab. Bereits 18 Prozent halten die Performance für unzureichend oder schwach. „Lieferengpässe und vor allem die Teuerung haben ihre Spuren hinterlassen. Es wäre zu früh, von einer Vertrauenskrise zu sprechen, aber die Unruhe im Markt ist spürbar – und enttäuschte Erwartungen gefährden auch die Kundenbindung“, sagt Rainer Münch, Partner und Leiter der europäischen Praxisgruppe Handel und Konsumgüter bei Oliver Wyman. Er hält eine emphatische Kundenansprache in der gegenwärtigen Phase für essenziell. Ein Drittel der Verbraucher hat laut Umfrage im vergangenen Jahr den Haupteinkaufsort gewechselt. Vor allem Jüngere kehrten ihrem Stammladen den Rücken: Bei den 25- bis 34-Jährigen wechselte nach eigener Auskunft fast jeder Zweite. 

Der neue Weg führt meist zum Discounter. Bei der Frage nach dem Haupteinkaufskort legte diese Handelsform binnen Jahresfrist um 6 Prozentpunkte zu. „Das ist eine beeindruckende Größe in einem Land, in dem Discounter ohnehin traditionell eine starke Position einnehmen“, sagt Seip. Aktuell sind Discounter für 47 Prozent der Befragten der wesentliche Einkaufsort, 25 Prozent nannten klassische Supermärkte, 20 Prozent bevorzugen Großflächenanbieter. Immer enger wird es für reine Bio-Supermärkte: Sie stellen nur noch für einen harten Kern von zwei Prozent den bevorzugten Einkaufsort dar, halb so viel wie 2021. Online-Supermärkte und Express-Lieferdienste legten von drei auf fünf Prozent zu.

Supermärkte kontern spürbar mit Eigenmarken

Im Massengeschäft schwelt seit Jahren ein Kampf zwischen Discountern und klassischen Supermärkten, bei dem in der harten Corona-Phase das Argument des „One-Stop-Shopping“ das Pendel zugunsten der Supermärkte ausschlagen ließ. „Dieser Bequemlichkeits- und Sicherheitsbonus ist nun aufgezehrt, der Preis wird angesichts knapper Haushaltskassen zum bestimmenden Faktor“, so Handelsexperte Münch. „Die Aufteilung des Einkaufs wird wieder zur Normalität: Man kauft erst die Basics beim Discounter, dann den Rest im klassischen Lebensmittel-Einzelhandel.“ Allerdings spielen auch Supermärkte zunehmend die Preiskarte – eine naheliegende und erfolgversprechende Marketingstrategie, sagt Münch. „Über ihre Eigenmarken mit niedrigem Preispunkt können sie Discountern die Stirn bieten.“

Dass die Eigenmarken-Taktik funktionieren kann, beweist auch die Umfrage: 40 Prozent der Befragten hatten den Eindruck, dass sich der Preisabstand zwischen Discountern und Supermärkten zuletzt verringert hat. Nur 14 Prozent empfanden den Abstand als größer. „Die größte Chance der Supermärkte besteht gegenwärtig darin, den Preiswettbewerb anzunehmen“, sagt Seip. 51 Prozent der Befragten gaben an, mehr Eigenmarken als zuvor zu kaufen. 30 Prozent bleiben nach Selbsteinschätzung markenbewusst, aber achten zugleich verstärkt auf den Preis. Jeweils 25 Prozent der Konsumenten nannten als ihre persönliche Sparstrategie, verstärkt größere Packungen zu kaufen oder mehr selbst zu kochen. Nur acht Prozent sagten, die Preiskrise lasse sie kalt.

Konsumenten erwägen Verzicht auf Lieblingsspeisen

Spannend wird es sein, wie die veränderte Stimmung den Lebensmittelkonsum im Weihnachtsgeschäft beeinträchtigt. Gibt es den Festtagsbraten in der preisgünstigen Tiefkühl-Version? Oder wird eine Ausnahme gemacht? „Das wäre ein Blick in die Glaskugel“, sagt Vanessa Seip. „Fest steht, dass aus Verbrauchersicht alle Kategorien spürbar teurer geworden sind, aber Fleisch, Eier und Milcherzeugnisse an der Spitze der verteuerten Artikel stehen.“ Damit steht der traditionell hohe Fleischkonsum zu Weihnachten womöglich in vielen Haushalten zur Debatte. 

Bei der Frage nach der Schuld an den Preissteigerungen herrscht ein Patt: 28 Prozent sehen die Verantwortlichen in den Reihen der Hersteller, 29 Prozent verorten die Hauptschuld bei den Händlern – der Rest ist unentschieden. Immerhin würden sich 71 Prozent der Befragten wünschen, dass ihr Händler nun im Einkauf hart um Preise mit den Herstellern ringt. Mehr als die Hälfte von ihnen würde in der Konsequenz eines solchen Konflikts auch einen Lieferstopp in Kauf nehmen – und auf das eigene Lieblingsprodukt zumindest eine Zeitlang verzichten.

Über die Studie

Die Studienreihe befragt Konsumenten zu ihrer Stimmungslage beim Lebensmitteleinkauf. Im Oktober 2022 wurden insgesamt 7.000 Konsumenten in sechs europäischen Ländern, 1.000 davon in Deutschland, vor dem Hintergrund der derzeitigen Krisen (Krieg in der Ukraine, Inflation) befragt. Die 2022 durchgeführte Untersuchung ist die dritte Konsumenten-Sentiment-Studie seit 2019.


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