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B2B-Lieferkette wenig digitalisiert

CEOs müssen umdenken

Zuerst erschienen in der Print-Ausgabe 42 der Lebensmittel Zeitung vom 18. Oktober 2019, Seite 45.

Von Cornelius Herzog und Susan Kuep

Frankfurt. Im Geschäft mit Firmenkunden sind Unternehmen noch lange nicht so weit wie im Endkundengeschäft. Die Digitalisierung der Supply Chain steckt dort oft noch in den Kinderschuhen. 

Bestellungen mit nur einem Klick oder per Sprachnachricht mit Alexa, Endto- End-Tracking, Versandankündigungen, schnelle Lieferungen mit Benachrichtigung über erwartete Lieferzeiten sowie einfache Rücksendungen – Amazon macht vor, wie Transparenz und Komfort in der Supply Chain funktionieren. Die Supply Chain ist von Anfang bis Ende auf ein positives Kundenerlebnis optimiert. Diesen Service erwarten Kunden zunehmend auch für alle anderen Bestellvorgänge – auch im B2B-Bereich. Doch bei Bestellungen von Ersatzteilen, Baumaterialien oder anderen B2B-Produkten sieht die Realität zurzeit anders aus.

Lieferketten für B2B-Distributoren sind bisher kaum digitalisiert und weit davon entfernt, eine interaktive kundenorientierte Schnittstelle zu bieten. Bestellen Business-Kunden etwa ein Ersatzteil für eine Maschine, erhalten sie zwar eine Trackingnummer. Um nachzuverfolgen, wo das Ersatzteil sich befindet, müssen sie jedoch erst eine Website besuchen, eine lange Nummer eingeben, um dann zu erfahren, dass die Lieferung in fünf bis sieben Tagen erfolgt. Der gesamte End-to-End-Prozess der Warenlieferung im B2B-Kontext ist wenig kundenfreundlich.

Eine Lieferkette, die Komfort bietet, kann gegenüber dem Kunden ein echtes Differenzierungsmerkmal sein. In einer Welt, in der sich Produkte selbst häufig kaum voneinander unterscheiden, sollte jede Differenzierungsmöglichkeit genutzt werden. Entlang der Supply Chain ergeben sich viele Möglichkeiten dazu: Kundenfreundliche Bestellung, genaue Liefertermine und transparente Nachverfolgung sind nur einige Beispiele dafür.

Betrachtet man exemplarisch das Verpackungsmaterial für einen Standard- Verbrauchsartikel für den Handel, etwa die Verpackung für Frischeartikel, wird dies besonders deutlich. Einen Unterschied bei solchen Artikeln gibt es, wenn überhaupt, im Preis oder in der Qualität. Bei einer so geringen Differenzierung kann die Supply Chain den Unterschied machen.

Beispielsweise spart ein unkomplizierter Online-Bestellvorgang anstelle eines langen Webkatalogs Zeit. Eine transparente Produktverfügbarkeit und die Zusage eines genauen Lieferzeitpunkts reduzieren die einzuplanenden Sicherheitsmengen. Eine nachverfolgbare und änderbare Bestellung führt zu zusätzlicher Liefergewissheit und entsprechender Planungsgenauigkeit beim Händler. Bei kurzfristigen Ereignissen können Bestellungen zudem flexibel angepasst werden. Eine rechtzeitige Information über den Lieferzeitpunkt am Liefertag erhöht die Planbarkeit beim Händler und stellt sicher, dass Bestellungen angenommen werden. Ein einfacher Bezahlvorgang binnen Sekunden anstelle eines manuellen Rechnungsprozesses verringert den Aufwand und kann die Grundlage für Kundenprogramme bilden.

Heute wird in B2B-Supply-Chains häufig noch allein auf klassische Wege elektronischer Datenübertragung gesetzt. In dieser Form können Systeme zwar als Grundlage dienen, tragen aber nicht zur echten Digitalisierung der Supply Chain bei – jedenfalls nicht nach heutigen Standards. Doch wie kommen Händler weg von der einfachen Datenübertragung hin zu einer digitalen Supply Chain?

Zunächst gilt es, die digitale Supply Chain als Opportunität in den Fokus zu rücken. Nur wenige Führungskräfte sehen die Lieferkette bisher als potenzielles Unterscheidungsmerkmal. Allen voran gilt es CEOs und COOs zu überzeugen, dass es einen nicht realisierten Mehrwert in der Lieferkette gibt. Supply-Chain-Manager spielen eine zentrale Rolle. Sie stehen an der Schnittstelle interner Funktionen wie Einkauf, Vertrieb oder Logistik und müssen außerdem die Customer Journey verstehen. Dies gelingt nur, wenn sie in die entsprechenden Funktionen des Unternehmens integriert werden: Horizontal in den Vertrieb, um Kunden zu verstehen; in die Beschaffung, um Lieferanten zu verstehen; sowie in Logistik, um den tatsächlichen Versandprozess zu verstehen. Schließlich muss die Lieferkette digitalisiert werden. Dies muss nicht umgehend als „Big Bang“ geschehen, sondern vor allem schnell, agil und iterativ. Die Kunden werden die Verbesserungen spüren – und zu schätzen wissen.