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Preismanagement bei Konsumgütern

Wie Konsumgüterhersteller einer Welt ohne Grenzen wirtschaftlich begegnen müssen

Immer seltener beschränken sich Kunden auf der Suche nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis bei der Wahl ihres Händlers auf Ländergrenzen. Endverbraucher gehen im Internet oder in benachbarten Ländern auf Schnäppchenjagd nach Lebensmittelspezialitäten, Drogerieartikeln, Mode, Spielsachen, Haushaltsgeräten oder Elektronikartikeln.

Gleichzeitig zielt der Handel auf weitere Einstandspreis-Reduktionen, indem er seinen Einkauf internationalisiert und professionalisiert. Zunehmend werden grenzüberschreitende Einkaufsallianzen gebildet oder die Einkaufspreise systematisch über die eigenen Landesorganisationen hinweg optimiert. Analysen von Oliver Wyman zufolge summiert sich das daraus erwachsende Arbitragerisiko für Konsumgüterhersteller allein in Europa auf ein Fünftel des Gesamtmarktes. Das gefährdet die Profitabilität – und am Ende selbst das Überleben – vieler Hersteller. 


LÄNDERÜBERGREIFENDES ARBITRAGERISIKO ERFORDERT NEUE KONZEPTE

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, diesen Trends zu begegnen: allen voran ein intelligentes und ganzheitliches Konditionenmanagement. Nach wie vor gibt es hier eine Tendenz zur „Überfinanzierung“. Das gilt vor allem für den Onlinekanal. Mit einer höheren Transparenz lassen sich die Konditionen gezielter steuern und damit unnötige Mehrausgaben minimieren. Viele führende Konsumgüterproduzenten arbeiten mit einer zentralen Plattform, die zu Berichtszwecken und für unternehmensweit fundierte Entscheidungen sämtliche konditionenrelevante Informationen über verschiedene Kanäle und Länder hinweg erfasst. Diese Plattformen beinhalten in der Regel auch Daten über Margenanforderungen, sodass deutlich wird, mit welchen Konditionen welcher Partner im Handel aktuell zufrieden ist. 

Eine Übersicht der Konditionenarten („Trade Spend Grid“) kann helfen, die Mittelverwendung über Grenzen und Kanäle hinweg besser zu steuern. Diesem Ziel dienen zentrale Richtlinien sowie detaillierte Pay-for-Performance-Vorgaben für Kunden. Diese Elemente sollten in die länderübergreifende Organisation des Konditionenmanagements einfließen. In der Regel wird ebenso angestrebt, die Preise über die internationalen Märkte oder zumindest über Ländergruppen hinweg zu harmonisieren. Zusätzlich können Hersteller ihre Produkte und Marken für verschiedene Märkte – unter Beachtung der Komplexitätskosten – differenzieren und es so dem Handel erschweren, länderübergreifende Verhandlungen anzugehen. 

Die Bedrohung aus internationalen Arbitragegeschäften wächst in einer Zeit des fundamentalen Umbruchs im Handel. Der traditionelle Einzelhandel steht unter massivem Druck von Onlinewettbewerbern und der größte Kostenblock liegt im Einkauf. Die Branche internationalisiert ihren Einkauf, um von Preisunterschieden zu profitieren. Am Anfang machten sich nur die Verbraucher die unterschiedlichen Preise für langlebige Güter in verschiedenen Ländern zunutze. Nun erkennt auch der Handel diese Chance – und handelt bei schnelldrehenden Konsumgütern wie Lebensmittel und Getränken genauso.

Wenn die Konsumgüterhersteller nicht ins Hintertreffen geraten wollen, müssen sie ihre Perspektive erweitern und sich internationaler aufstellen. Dies erfordert neue Ressourcen und Tools sowie eine Überprüfung der bisherigen Organisation. Bislang eröffnen sich Händlern und Verbrauchern attraktive Arbitragemöglichkeiten, da die Hersteller noch auf ein ganzheitliches, international abgestimmtes Konditionenmanagement verzichten.
 

DER EINKAUF PROFESSIONALISIERT UND INTERNATIONALISIERT SICH

Die stetig wachsende Bedeutung des Onlinehandels und der Aufstieg der Discounter setzen den klassischen Einzelhandel unter Druck. Zudem vergrößern Onlinepreisvergleiche die Transparenz für die Verbraucher. Ihr Wissen um das Preisniveau bei verschiedenen Handelsunternehmen verschärft den Wettbewerb. Eine im Mai 2019 durchgeführte Oliver Wyman-Umfrage zeigt, dass 45 Prozent der Onlinekäufer bereits international einkaufen. Für diese Kunden ist der Preis der entscheidende Faktor.  
 

Abbildung 1: 20 Prozent der Umsätze mit Markenartikeln sind durch einen grenzüberschreitenden Einkauf des Handels im Risiko 

1) Alkohol, Süßwaren, Soft Drinks, Pflege 
2) 18% des Gesamtmarkts inkl. Eigenmarken
Quellen: Euromonitor, Oliver Wyman-Analyse

Amazon und die Discounter verfügen bereits über ausgefeilte grenzüberschreitende Ansätze und Ressourcen im Einkauf. Viele Händler folgen nun diesem Beispiel, konsolidieren den Einkauf in ihren eigenen internationalen Organisationen und schließen sich internationalen Einkaufsallianzen an. Eine ganze Reihe grenzüberschreitender M&A-Aktivitäten im Handel hat zudem bewirkt, dass der Einkauf in Bereichen wie Lebensmittel, Kosmetik und Gesundheit sowie Unterhaltungselektronik bereits zunehmend internationaler aufgestellt ist. 

Händler können einen deutlichen zusätzlichen Margenbeitrag aus der Internationalisierung ihres Einkaufs ziehen. Das liegt auch daran, dass viele Konsumgüterhersteller aufgrund des Fehlens entsprechender Mechanismen ihre Preissetzung nicht international steuern. Wenn der Handel jedoch Produkte zu niedrigeren Preisen in verschiedenen Ländern einkauft, entsteht ein enormes Arbitragerisiko: Im Durchschnitt beläuft sich dieses bei Markenartikeln auf 20 Prozent der Umsätze. Im europäischen Lebensmittelhandel allein ergibt sich daraus ein  wirtschaftliches Risiko in Höhe von mehr als 30 Milliarden Euro. Diese Berechnung beruht auf einem Preisvergleich von Oliver Wyman in verschiedenen Ländern in mehreren schnelldrehenden Warengruppen (vgl. Abbildung 1).

Zu diesem Arbitragerisiko kommen Herausforderungen durch Unterschiede in den Endverbraucherpreisen hinzu. Onlinepreisvergleiche und Gutscheinportale führen zu einer nie da gewesenen Transparenz, während führende Plattformen wie Amazon diese Preise legitimieren und so die Preisänderungen im Markt beschleunigen. Dies bedroht die Wirksamkeit von Aktionen und nationalen Preismodellen. Gesundheits- und Kosmetikprodukte beispielsweise sind in einigen europäischen Ländern derzeit noch mehr als zwei Drittel so teuer wie in anderen (vgl. Abbildung 2). Im Durchschnitt liegen die Preise für eine ganze Reihe identischer Konsumgüter in einigen europäischen Ländern beim 1,5-Fachen des Niveaus anderer Länder.
 

Abbildung 2: Grenzüberschreitender Vergleich der Endverbraucher-Preise verschiedener Produkte im Bereich Gesundheit und Kosmetik  

Quellen: Websites der Einzelhändler, Oliver Wyman-Analysen, Preise ohne USt


Eine ganze Armada kleinerer und mittlerer Unternehmen macht sich diese Arbitrage-Möglichkeiten zunutze und transportiert Waren von Land zu Land. Daraus entstehen Preiskonflikte. Zudem setzen Price-Matching-Algorithmen wie die von Amazon Einzelhändler unter Druck, auf Preise außerhalb ihrer eigenen Märkte zu reagieren. Wenn irgendein Produkt online zu einem niedrigeren Preis erhältlich wird – eventuell aufgrund einer nicht-koordinierten Preissetzung des Herstellers – sind andere Einzelhändler gezwungen, rasch darauf zu reagieren. Ein besonders hoher Preisdruck herrscht bei Produkten wie Unterhaltungselektronik und Spirituosen, bei denen sich hohe Prozent-Preisdifferenzen in hohe Euro-Beträge übersetzen. Um den Margenverlust auszugleichen, verlangen Einzelhändler zusätzliche Rabatte verschiedener Art von den Herstellern. Mehr noch: Die Markenwahrnehmung ist bedroht, wenn sich die Verbraucher an günstigere Preise für bestimmte Produkte gewöhnen. Das betrifft vor allem Marken für Massenmärkte – oder „A-Marken“: Da Einzelhändler sie gerne aggressiv bewerben, um mehr Besucher in ihre Läden zu locken, lösen grenzüberschreitende Preisunterschiede hier besonders schnell einen Preisverfall aus (vgl. Abbildung 3).
 

Abbildung 3: A-Marken sind besonders anfällig für einen Preisverfall, Beispiel Deutschland

Quellen: Händlerwebsites, Oliver Wyman-Analyse
 

KONSUMGÜTERHERSTELLER SOLLTEN SCHNELL HANDELN

Einige Konsumgüterhersteller haben bereits gelernt, mit diesen Herausforderungen umzugehen. Es gibt keinen Königsweg, sondern mehrere, teilweise kombinierbare Ansätze, die zum Erfolg führen können. Dazu zählt ein Portfolio aus verschiedenen Produkten für unterschiedliche Märkte genauso wie eine straff gesteuerte Angleichung der Preise und Konditionen in ganz Europa sowie eine engere Zusammenarbeit mit dem Handel. Der Erfolg all dieser Ansätze hängt von einem überzeugenden und konsistenten Steuerungssystem für das  Konditionenmanagement ab. Diese Steuerung beinhaltet grundlegende Fertigkeiten genauso wie darüber hinausgehende Maßnahmen (vgl. Abbildung 4). Ein solches System ist unabdingbar, um Preisunterschiede zwischen einzelnen Märkten und Kanälen zu rechtfertigen und lässt sich in sechs Bereiche unterteilen.
 

Abbildung 4: Ganzheitlicher internationaler Ansatz für das Konditionenmanagement 

Quelle: Oliver Wyman

Erfahren Sie mehr in unserer Publikation "Preismanagement bei Konsumgütern".

Preismanagement bei Konsumgütern


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