Demut würde uns allen guttun

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Florian Wieser, CFO von Engel & Völkers, im Gespräch mit Rainer Münch

Florian Wieser und Rainer Münch

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Double Quotes
Nur ein auch demütiger, selbstbewusster Mensch, der erkennt dann die Stärken bei anderen. Der hat es nicht nötig, sich auf Kosten anderer zu profilieren.
Florian Wieser, Global CFO, Engel & Völkers

Florian Wieser ist CFO von Engel & Völkers. Beim Thema Werte ist er sehr klar: Demut würde uns allen zurzeit sehr guttun. Er beschreibt in der aktuellen Folge, wie ihn bereits seit seiner Schulzeit die Bescheidenheit der Benediktiner nachhaltig geprägt und beeindruckt hat. Das Gespräch widmet sich Themen wie Konsumstreben, zunehmender Polarisierung und verstärkter Egozentrik in der Gesellschaft aber auch der zunehmenden Selbstpositionierung von Führungskräften auf LinkedIn, die an vielen Stellen kein Paradebeispiel für Demut ist. Er erklärt, warum man manchmal eine „geistige Kniebeuge“ machen sollte, wenn wichtige Entscheidungen im Berufsalltag anstehen. Und er beschreibt ausführlich die Arbeit von Immobilienmaklern in der Praxis.

Das Gespräch wurde aufgezeichnet im Juni 2024.

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Rainer Münch: Heute ist Florian Wieser zu Gast. Er hat seine Berufskarriere in der Unternehmensberatung begonnen, bevor es 2011 zur Metro Group ging und von dort zu MediaMarktSaturn. Dort stieg er schnell zum CFO von Italien, von Deutschland und schließlich der gesamten AG auf. Vor etwa einem Jahr war es dann Zeit für einen Tapetenwechsel und er übernahm die Rolle des Global CFO bei Engel & Völkers. Daneben ist Florian ein leidenschaftlicher Tennisspieler und lebt mit seiner Frau in München. Lieber Florian, ich freue mich sehr, dass Du heute im Podcast Purpose vs. Profit bei mir zu Gast bist.

Florian Wieser: Ja, vielen Dank, Rainer. Herzlichen Dank für die Einladung. Ich freue mich sehr, heute hier zu sein. Spannendes Thema und deshalb habe ich die Einladung auch sehr gerne angenommen.

Rainer Münch: Du hattest in unserem Vorgespräch schon angedeutet, dass das Thema Wertorientierung bei Dir irgendwie auch schon eine frühe Prägung war. Vielleicht kannst Du das nochmal so ein bisschen schildern, wo Du herkommst und wie Du aufgewachsen bist.

Florian Wieser: Ich sage gerne ein paar Worte noch zu mir und auch zur Einordnung. Und ich glaube, das hilft dann auch ein bisschen, warum mir das Thema gut gefallen hat. Also ich bin in Augsburg aufgewachsen, zusammen mit zwei Geschwistern, zwei Brüdern, ich war der mittlere von uns dreien. Und ich habe meine Schulzeit auf einer benediktinischen Klosterschule verbracht und habe da so den klassischen Kanon durchlaufen, also war auf dem humanistischen Zweig, habe mit Latein angefangen. Dann kam Altgriechisch dazu und ich habe dann auch später die Leistungskurse bewusst in dem humanistischen Zweig gesucht und habe Altgriechisch und Deutsch als Leistungskurse gewählt und mich dann dort spezialisiert. Und wie Du Dir vorstellen kannst, humanistischer Zweig, da spielen dann Werte und das Korsett eine große Rolle.

Rainer Münch: Würdest Du sagen, dass diese Klosterschule irgendwie Dich auch besonders geprägt hat? Oder war es dann eher das Umfeld, oder waren es eher die Inhalte, um die es da ging in der Prägung?

Florian Wieser: Es war beides. Also neben den Inhalten, die natürlich klar eine große Rolle spielen, dann auch die Umgebung der Klosterschule, die Mönche, die schon ihren Lebensinhalt dann auch in der Ausbildung, in der Erziehung der Kinder sehen und sehr engagiert waren. Es gab sehr viele Angebote neben der Schule: ein Orchester, Reisen, besondere Angebote neben dem eigentlichen Schulkanon im Kloster. Einfach eine enge Verbindung. Und das war schon ein besonderes Umfeld. Und gleichzeitig auch meine Familie, meine Eltern natürlich haben mich auch stark geprägt.

Rainer Münch: Und gab es da sozusagen im Klosterleben, wie Du das so erlebt hast in der Schulzeit bei den Mönchen irgendwas, was Dich vielleicht auch noch mal inspiriert hat? Wie gelebt wird? Wie miteinander umgegangen wird?

Florian Wieser: Die Benediktiner, die leben ja sehr stark nach der Benediktsregel. Und was mich an deren Leben, also es ist ja zum einen schon auch ein hartes Leben, denn die benediktinischen Mönche leben sehr eigen. Das heißt Schweigen ist ein wichtiger Bestandteil. Beten ist ein großer Bestandteil. Das heißt das gemeinsame Zusammenleben spielt eine kleinere Rolle als jetzt in einem typischen Zusammenleben, so wie wir es vielleicht jetzt gewohnt sind. Was mir sehr gut gefallen hat und was mich auch nachhaltig geprägt und beeindruckt hat, ist die Bescheidenheit der Benediktiner, dass man sich nach der Benediktsregel unabhängig machen soll von externen Einflüssen, von Streben nach Konsum von externen Gütern und dass die Freude im Kleinen, das bewusste Wahrnehmen, das Genießen von Momenten, das bewusste Genießen von Momenten, eine große Rolle spielt.

Rainer Münch: Und damit sind wir natürlich schon mittendrin, auch in den Themenblöcken, die ich mit Dir vertiefen möchte. Einmal Deine Werte, zum zweiten dann auch ein Gegenstand, den Du mitgebracht hast. Ich sehe ihn schon. Da kommen wir gleich nochmal darauf zurück. Aber auch eine moralische Frage, was Deine Tätigkeit angeht, Deine Berufstätigkeit. Und dann hast Du Dir eine der Lebensfragen von Max Frisch ausgesucht, die wir vertiefen möchten. Wenn ich zurückkomme auf das Thema Werte: Wie würdest Du Deine persönlichen Werte beschreiben? Was ist denn ein besonders wichtiger Wert für Dich?

Florian Wieser: Ja, als ich die Frage von Dir auch zur Vorbereitung mitbekommen habe, habe ich einerseits natürlich über meinen Wertekanon nachgedacht und auch was jetzt im Zusammenhang mit Purpose vs. Profit von Bedeutung ist. Und ich würde ganz gerne über einen Wert sprechen, der für mich schon immer auch für meine Prägung, über die wir gesprochen haben, wichtig ist. Es wäre schön, wenn dieser Wert in der aktuellen Zeit mehr an Bedeutung gewinnen würde. Ich nehme die aktuelle Zeit wahr, dass wir immer mehr nach Konsum streben, dass wir mehr und mehr Polarisierung erleben in vielen Bereichen. Und ich nehme auch wahr, dass es eine verstärkte Egozentrik gibt, sich selbst darzustellen. Das sind so vielleicht drei Punkte, die ich wahrnehme. Und ein Wert, der mir sehr wichtig ist und der dem entgegensteht, ist Demut. Demut ist für mich persönlich ein sehr wichtiger Wert. Und gerade in dieser aktuellen Zeit, in dieser Situation mit diesen Tendenzen, die ich beschrieben habe, würde Demut aus meiner Sicht uns allen guttun.

Um das vielleicht ein bisschen besser einzuordnen: Viele sagen ja Demut, oh, das klingt nicht gut. Das ist nicht für sich selber einzustehen, sich selber klein machen. Oder dann steckt Demut ja auch im Wort Demütigung drin. Und all das meine ich nicht. Das ist genau nicht die Interpretation von Demut, die ich im Sinn habe. Sondern ich verbinde mit Demut verschiedene Facetten. Über die eine haben wir gerade gesprochen: benediktinisches Leben, bewusste Wahrnehmung von Dingen. Andere Elemente von Demut, die mir wichtig sind, ist zum einen im altgriechischen Unterricht. Wir haben eingangs darüber gesprochen. Da habe ich auch meine Ausbildung genossen sozusagen. Die Griechen sprechen von Mēdén ágan. Das heißt auf Deutsch "nichts im Übermaß". Und die Griechen haben damit auch eine bestimmte Art von Bescheidenheit damit verbunden. Und die meinen damit: Man soll sich selber nicht so ernst nehmen, sondern man soll auch erkennen, wo andere Personen Stärken haben. Und wo andere Personen vielleicht Dinge besser können als man selbst. Und das heißt jetzt wiederum nicht, dass man nicht für sich selbst einsteht. Sondern unter dem Verständnis von Demut kann man schon sehr wohl, es ist sogar explizit gewünscht, dass man seine eigenen Stärken kennt. Dass man eine gesunde Portion Selbstbewusstsein hat. Weil nur ein auch demütiger, selbstbewusster Mensch, der erkennt dann die Stärken bei anderen, der hat es nicht nötig, sich auf Kosten anderer zu profilieren. Und wenn wir jetzt vielleicht auf die Unternehmensebene gucken: Der schafft es dann auch ein gutes Team zusammenzustellen. Und dann bewusst schwarze Flecken, die es dann hier und da gibt, was die Fähigkeiten des Teams oder die eigenen Fähigkeiten anbelangt, bewusst zu schließen.

Rainer Münch: Ich finde das spannend, wie Du da auch Demut einordnest und abgrenzt von Demütigung und diesem Negativen, und eben dieses Positive darin siehst. Was es auch für einen Beitrag hat, dann im beruflichen Kontext. Wie passt das für Dich zusammen mit durchaus ja positiven Dingen wie mehr Emotion, Spontanität, Lebensfreude? Was ja vielleicht im ersten Moment so einen Gegensatz bilden könnte zu diesem Thema Disziplin und Selbstbeherrschung, was ja auch mit Demut verbunden wird.

Florian Wieser: Genau. Du hast gerade mal zwei Punkte genannt, die aus meiner Sicht auch sehr wichtig sind. Du hast gerade gesagt Disziplin. Ja, ich glaube, es ist gerade auch im unternehmerischen Umfeld sehr, sehr wichtig, dass man sich sorgfältig mit Dingen auseinandersetzt, auch wenn Dinge vielleicht auf den ersten Blick leicht erscheinen und man die nebenbei macht. Mir ist es sehr, sehr wichtig, tatsächlich auch im beruflichen Umfeld sich sehr akkurat, akribisch, sorgfältig mit Dingen auseinanderzusetzen und sich darauf vorzubereiten. Und zum anderen, dann kommen wir vielleicht schon auf das Thema: Wie passt das zusammen mit Heiterkeit? Du hast Selbstbeherrschung genannt, Rainer. Ich persönlich, ich mag es im beruflichen Umfeld nicht so gerne, wenn Leute ihren Launen freien Lauf lassen. Wir alle haben ja unsere guten Tage und unsere schlechten Tage. Und dafür können aber die Mitarbeiter oder die Kollegen dann im beruflichen Umfeld nichts. Und deshalb verbinde ich mit Demut auch die Eigenschaft, nicht jähzornig zu sein, aber auch nicht zornlos zu sein, sondern schon auch seine Emotionen dann zu zeigen, aber eben kontrolliert und so, dass die Kollegen, Mitarbeiter immer möglichst die beste Version eines selbst dann jeden Tag um sich haben. Und ja: Wie passt das zur Heiterkeit? Ich bin überzeugt und ich versuche das auch für mich selbst: Jemand, der mit sich im Reinen ist, der zufrieden ist, der – um noch einmal auf die Benediktsregel zu sprechen zu kommen – Dinge bewusst wahrnimmt, sich gar nicht so sehr abhängig macht von aktuellen Trends, von äußeren Einflüssen, sondern der in der Lage ist, bewusst zu genießen, bewusst wahrzunehmen und auch sich an kleinen Dingen zu erfreuen, und das jeden Tag, der ist dann ein glücklicher Mensch und ist zufrieden und freut sich dann über schöne Dinge, die hoffentlich ganz, ganz viel und ganz, ganz oft kommen, umso mehr.

Rainer Münch: Wenn Du Achtsamkeit ansprichst, dann muss ich auch an die Frage denken: Nimmst Du Dir Zeit für Dich? Ist es das, was für Dich auch eine Priorität hat, eben in der Achtsamkeit?

Florian Wieser: Ja. Ich würde sagen, ich werde besser darin, Zeit für mich selbst zu nehmen. Als ich angefangen habe zu arbeiten – und Du hast ja ein bisschen erzählt über meine verschiedenen Stationen – das waren alle Stationen, wo dann auch viel Einsatz gefordert wird und das war auch ein sehr kompetitives Umfeld. Unternehmensberatung, das weißt Du besser als ich. Im Handel, wo ich gearbeitet habe: ein sehr wettbewerbsintensives Umfeld, wo sehr viel Einsatz und sehr viel Engagement nötig sind. Als ich jünger war und gerade in den ersten Berufsjahren habe ich das zu wenig gemacht. Und jetzt gerade durch den Tapetenwechsel vom Handel in den anderen Sektor habe ich das nochmal jetzt bewusster gelernt, auch vielleicht eine gewisse emotionale Distanz zu Themen, eine gesunde emotionale Distanz zu Themen zu gewinnen, und sich dann bewusst Zeit zu nehmen, um dann die Zeit, die man wieder dann bewusst arbeitet, auch dann besser, effizienter, zufriedener und insgesamt besser zu sein. Ich glaube, das trifft es dann einfach.

Rainer Münch: Jetzt möchte ich noch mal kurz zurückspringen zu einem Aspekt, den Du eben auch genannt hast, nämlich das Thema Selbstbeherrschung und Emotionen und auch negative Emotionen. Jähzorn hast Du genannt. Dass Du es eben nicht gut findest, wenn Mitarbeiter und Führungskräfte das ausleben. Wie geht man denn damit gut um, wenn es bei anderen der Fall ist? Hattest Du da schon Situationen, wo Du entweder als Betroffener oder als Vorgesetzter dann eben auch so eine Situation erlebt hast? Und wie hast Du die aufgelöst? Und würdest Du das in Zukunft vielleicht anders machen?

Florian Wieser: Das ist keine einfache Frage und da gibt es sicher auch kein Patentrezept. Ich habe das selber oft erlebt. Klar, gerade in Drucksituationen, wenn es gerade mal eine herausfordernde Lage gibt, in schwierigen Situationen dann zwischen vielleicht zwei nicht optimalen Optionen entschieden werden muss, und der Druck steigt, dann kommt es dann oft oder in vielen Situationen dazu. Wenn ich auf die verschiedenen Ebenen gucke in meinem Team, bei meinen Mitarbeitern, wenn soetwas passiert: Ich spreche das an. Man kann das nicht verhindern. Wir sind alle Menschen und das ist völlig normal, dass das immer wieder passiert. Niemand ist perfekt. Aber ich spreche das aktiv an und mir ist das ganz, ganz wichtig, dass in meinem Team besonders, wo wir eng zusammenarbeiten, dass dieser Grundsatz Selbstbeherrschung, wir versuchen alle gut miteinander umzugehen, dass wir das gut beherrschen und wenn es mal nicht klappt, sprechen wir es an. In Führungsgremien, wenn wir zusammen in der Geschäftsführung sitzen, klar, passiert das dann auch mal und wir pflegen da auch einen offenen Austausch. Also wir sprechen, wir gehen direkt miteinander um, immer wertschätzend, immer achtsam. Den Begriff hast du ja benutzt, der passt auch aus meiner Sicht gut dazu, und wir versuchen uns dann wieder selbst zu regulieren. Ich glaube, das ist tägliche Übung und man muss immer darauf achten, wenn sich mal etwas einschleift, dass man es dann wieder rechtzeitig behebt. Und wenn die Beziehungen an sich und das Vertrauen zueinander grundsätzlich intakt sind, dann funktioniert das auch gut. Wenn das Vertrauen zwischen zwei Personen oder einer Gruppe grundsätzlich nicht da ist, dann fällt auch die Selbstregulierung schwieriger.

Rainer Münch: Was ich immer in diesen Situationen versuche, ist vor allem auch genügend Raum zu geben und sozusagen auch in mehrerer Hinsicht zu verhindern, dass sich da etwas aufschaukelt. Und durch eine starke Gegen-Emotion oder Gegen-Reaktion wird es ja häufig alles nur noch schlimmer. Und dann dem Raum zu geben, Abstand zu nehmen, vielleicht auch den Raum zu wechseln oder diese berühmte Nacht drüber zu schlafen, auch je nachdem wie emotional es wird, finde ich, ist es ganz wichtig, um da einfach irgendwie auch eine gewisse Erdung reinzukriegen.

Florian Wieser: Ich muss gerade schmunzeln, wo Du sagst "eine Nacht drüber schlafen”, weil einer meiner ersten CEOs, mit denen ich gearbeitet hatte, das war damals bei MediaMarktSaturn in der deutschen Landesgesellschaft, der hat immer zu mir gesagt: "Herr Wieser, jetzt nehmen wir uns nochmal eine geistige Kniebeuge und kommen dann morgen nochmal zusammen und entscheiden das dann." Und dieses Bild der geistigen Kniebeuge, das fand ich immer schön. Das habe ich mir beibehalten und habe ich auch immer so im Auge, wenn ich eine wichtige Entscheidung treffe, auch mit Leuten aus meinem Team, oder die über die Beförderung nachdenken oder über einen Schritt ins Ausland oder über irgendetwas. Ich sage dann immer: "Denkt noch einmal darüber nach. Packt alles zusammen. Macht die geistige Kniebeuge und dann entscheiden wir das."

Rainer Münch: Ein schönes Bild, ja. Und wenn wir bei einem schönen Bild sind, wandert mein Auge zu Dir herüber. Ich sehe einen Stift, einen Füllfederhalter, den Du mitgebracht hast: blau. So ähnlich sehe ich ihn auch bei meinen Kindern auf den Schreibtischen. Und vielleicht kannst Du mal erzählen, was Du dabei hast und was Du damit verbindest.

Florian Wieser: Ich habe meinen Lamy-Füller mitgebracht. Deshalb kann ich mir gut vorstellen, dass Deine Kinder auch den einen oder anderen Lamy-Füller auf ihren Schreibtischen haben. Ich habe meinen Lamy-Füllfederhalter in der fünften Klasse geschenkt bekommen, als ich auf’s Gymnasium gewechselt bin und habe mit dem Füller sehr, sehr viele Schulaufgaben, sehr, sehr viele Klausuren dann im Studium geschrieben, und habe den eigentlich seit der fünften Klasse immer bei mir. Der ist auch mittlerweile ein bisschen in die Jahre gekommen. Er ist über 30 Jahre alt, hat die ein oder andere Schramme, funktioniert aber immer noch gut. Und auch heute, wenn ich einen wichtigen Vertrag unterschreibe, zum Beispiel einen neuen Arbeitsvertrag oder Sonstiges, dann mache ich das bis heute ganz gern mit dem Füller.

Rainer Münch: Gibt es Geschichten, Erlebnisse, die Du damit verbindest?

Florian Wieser: Jeder erinnert sich an die Abi-Klausuren oder an eine wichtige Schulaufgabe oder sonstige Dinge. Deshalb: Ja, ich habe viele Erinnerungen, aber jetzt nicht irgendetwas, wo ich sage, da hat der Füller irgendetwas Besonderes gemacht, sondern der war einfach beständig über die Jahre mein treuer Begleiter und ich habe mit dem ja viele wichtige Dinge geschrieben. Ich hoffe wichtige. Da hat auf jeden Fall bisher so alles ganz gut geklappt. Ich habe alles, was ich gelernt habe und was mich geprägt hat, habe ich dann nochmal aufgeschrieben in Aufsätzen, in den Schulaufgaben, über die wir gesprochen haben. Und deshalb: Wenn ich den in der Hand habe, erinnert er mich so ein bisschen daran, was ich gelernt habe, welchen Weg ich gelaufen bin. Und ja, es ist immer so eine Erinnerung daran. Und wenn man dann was unterschreibt, wenn man unterschreibt, auf die Hand guckt, der Füller liegt dann in der Hand, denkt man nochmal: Ist das alles richtig? Passt das dazu? Ist alles im Einklang mit seinen eigenen Vorstellungen, Werten, Prioritäten? Und deshalb habe ich ihn dabei.

Rainer Münch: Ich glaube, es gibt ja auch berufliche Stationen oder Erfahrungen, die Du damit verbindest.

Florian Wieser: Bevor ich angefangen habe zu studieren, war eine der Voraussetzungen, dass man ein Praktikum in einem Unternehmen absolviert hat. Und ich habe mein Praktikum damals direkt nach dem Abitur in einer Volksbank Raiffeisenbank absolviert. Das war im Jahr 2002. Und da kam ich in den Bereich Zahlungsverkehr. Und das darf man sich nicht so vorstellen im Jahr 2002 in einer Volksbank Raiffeisenbank, wie das heute der Fall ist: alles digitalisiert, alles mit Online-Banking. Sondern damals in dieser Filiale, in einer ländlichen Filiale, da war noch alles manuell. Das heißt die Kunden haben in großer Vielzahl händisch ausgefüllte Überweisungsträger eingeworfen. Und die Abteilung, da saßen zwei Damen in dieser Abteilung Zahlungsverkehr, die haben erstmal diese Überweisungsträger gescannt und an einen Scan-Dienstleister geschickt, der die dann ausgewertet hat und das Gesamtergebnis immer von 100 Überweisungsträgern aufaddiert zurückgeschickt hat. Da gab es dann die Scan-Bilder und die Gesamtsumme dieser 100 Überweisungsträger. Und weil man sich ja nicht sicher war, dass die damals noch nicht ausreichend guten Maschinen das sauber ausgelesen haben, haben die Damen Tag ein und Tag aus die 100 Überweisungsträger mit einem Taschenrechner aufaddiert. Also, man kann sich das nicht vorstellen: stapelweise jeden Tag diese Überweisungsträger, die die immer mit einem Taschenrechner manuell nachgetippt haben. Und wenn dann das Ergebnis des Scan-Dienstleisters mit dem händisch nachgerechten Ergebnis in Einklang war, dann war es in Ordnung und dann wurde es verbucht. Und ich war dann den ersten Tag da, war noch gewohnt: hier humanistische Klosterschule, Griechisch und sonst irgendetwas – und dann saß ich da und dann haben die gesagt: “Hier darfst Du anfangen.” Und da habe ich angefangen, diese Überweisungsträger aufzutippen. Und schon nach wenigen Stunden, das ist ja wirklich eine monotone Arbeit, hat mich das wahnsinnig gemacht. Und das war wirklich herausfordernd.

Und die beiden Damen, die da saßen in der Abteilung, die das mit mir gemacht haben, die waren schon seit vielen Jahren da. Und die haben das mit einer Begeisterung, ja also Begeisterung ist vielleicht ein bisschen viel, aber mit einer Hingabe und Zufriedenheit gemacht und haben sich immer wieder gegenseitig Spielchen ausgedacht. Wer macht irgendwie einen Haufen Holz am schnellsten? Wer schafft die meisten Hunderter-Blocks ohne Fehler? Und haben sich dann gegenseitig immer wieder so spielerisch herausgefordert und waren wirklich in ihrer Tätigkeit glücklich und zufrieden. Und als ich dann abends nach Hause kam: Mich hat das wirklich zutiefst beeindruckt, weil das ist Demut, über was wir gesprochen haben, par excellence. Die haben die Aufgaben mit Disziplin, mit Akribie, mit Sorgfalt ausgefüllt, haben sich an kleinen Dingen gefreut und haben jeden Tag einen glücklichen, zufriedenen Arbeitsalltag gehabt. Das finde ich bis heute sehr, sehr bewundernswert und ich erzähle die Geschichte auch gerne. Ich hoffe, das hört man heraus. Und das hat mich damals schwer beeindruckt und ist mir bis heute ein Vorbild. Auch wenn man in seinem täglichen Tun Dinge hat, die einem vielleicht mal keinen Spaß machen, die dann nicht so abwechslungsreich sind. Es gibt eben viele Dinge, die gehören dazu. Und wenn man dann arbeitet, ist auch der Anspruch, den ich an mich selber stelle, und auch an diejenigen, die in meinem Team mit mir arbeiten, dass wir die Dinge, die wir dann tun, gut machen, akribisch und sorgfältig machen. Und das muss, finde ich, der Anspruch sein.

Rainer Münch: Was ich mir dabei gedacht habe, als Du das erzählt hast: Es ist natürlich auch eine schöne Reflektion der Vielfalt, die sich uns heute bietet und meinen Kindern bietet bei der Berufswahl und in der Arbeitswelt. Und dass es eben ganz viele unterschiedliche Möglichkeiten gibt. Und am Ende geht es ja auch darum, dass jemand etwas findet, was einen zufrieden macht und wo man eben auch dann nicht vielleicht jeden Tag, aber häufig gerne zur Arbeit geht und da irgendwo auch eine gewisse Befriedigung findet. Und das ist schon auch, wenn man so zurückblickt in der Geschichte, natürlich eine große Errungenschaft, wo wir da heute stehen und welche Möglichkeiten es gibt und wie man sich einen Platz suchen kann in der Arbeitswelt, der einen dann eben auch glücklich macht.

Florian Wieser: Ja, da stimme ich Dir voll und ganz zu.

Rainer Münch: Mein Großvater war Müller, hatte eine Mühle und hatte drei Söhne, einer davon mein Vater. Und der Älteste, der musste dann die Mühle übernehmen. Der musste eine Müllerlehre machen, musste Müller werden und der wollte das auf gar keinen Fall. Aber es gab da eben keine Alternative dazu. Und dann hat ihn sozusagen die Natur aus der Situation befreit und er hat eine Mehlallergie entwickelt, was sich natürlich mit dem Müller-Dasein nicht vereinbaren lässt. Und da hat dann eben auch der Großvater, sein Vater, eingesehen, dass es nicht sein soll und er hat ihn dann sozusagen aus dieser Pflicht entlassen. Und er wurde dann ein sehr erfolgreicher Unternehmer. Und er ist, glaube ich, bis heute dankbar, dass es diese Allergie dann auch gab. Und dann hat mein anderer Onkel dann übernommen und es ist dann auch alles gut gegangen und er war glücklich in der Rolle. Jetzt sind wir so ein bisschen in die Arbeitswelt eingetaucht. Wollen wir nochmal zurückspringen auf die Kapitalperspektive? Und das Thema Purpose vs. Profit hat natürlich auch eine Shareholder-Komponente, ganz stark. Was ist da Deine Sicht? Wie blicken die Shareholder heutzutage auf Themen wie Demut in der Arbeitswelt, also in der Geschäftswelt und in der Unternehmensführung?

Florian Wieser: Das ist auch eine schwierige Frage, wie sie auf Demut gucken. Es gibt da, ich glaube auch hier verschiedene Trends, die ich beobachte. Wenn man heute Portale aufmacht wie LinkedIn, nehme ich wahr, dass es sehr viele Führungskräfte gibt, die diese Medien auch sehr stark nutzen, um sich selbst zu positionieren. Und das ist dann vielleicht nicht so das Paradebeispiel für Demut. Dann gibt es aber auch viele, viele Beispiele von Unternehmen oder auch am Kapitalmarkt, wo man bewusst auf Werte setzt und wo Werte auch eine wichtige Rolle spielen. Also wir erleben momentan die ganzen Debatten um ESG. Das ist für alle Unternehmen einmal regulatorisch, aber auch viele Unternehmen sehen große Geschäftschancen darin. Das heißt die Verbindung mit Werten sehe ich auch, dass das klar an Bedeutung gewinnt. Viele Fonds investieren gar nicht mehr in Unternehmen, wenn bestimmte Voraussetzungen, bestimmte Werte, bestimmte Vorgaben nicht erfüllt sind. Das heißt ich nehme auch wahr, dass es dorthin doch einen starken Trend gibt, dass sowas an Bedeutung gewinnt und wenn man es nicht erfüllt, in der Negativabgrenzung dann sogar ein K.O.-Kriterium für Investitionen am Kapitalmarkt darstellt.

Wenn man auf Finanzierung guckt, ich bin ja selber CFO, seit einigen Jahren gibt es auch Finanzierungsinstrumente, die an Werte gekoppelt sind. Es gibt zum Beispiel Green Bonds, das heißt wenn man bestimmte Kriterien erfüllt, dann kriegt man sogar Vorteile bei der Finanzierung, also kriegt tatsächlich günstigere Konditionen. Das heißt also auch hier tatsächlich dann, wenn es wirklich um Renditen geht, dann beobachte ich, dass die Themen mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Das heißt Werte und Wertegetriebenheit aus meiner Perspektive gewinnt an Bedeutung und wenn man erfolgreich agieren möchte, ist das eine Conditio sine qua non. Wie sich das mit der Demut jetzt, das ist so das andere, was wir anfangs noch kurz gestreift haben, da gibt es glaube ich verschiedene Schattierungen, da fällt es mir jetzt schwer zu sagen. Ich persönlich, deshalb habe ich das Thema ja auch heute angesprochen, ich glaube, das ist ein Wert, der uns guttun würde, wenn wir ihn stärken würden. Ich persönlich sehe, dass dieses Thema: Egozentrik hatten wir genannt, Konsum hatten wir genannt, Polarisierung hatten wir ganz am Anfang angesprochen, dass die vielleicht aktuell zu stark sind, und dass so ein gesundes Gegengewicht, so eine gesunde Balance aus Demut und einer gesunden Portion dann auch an Außendarstellung, dass die vielleicht, dass das vielleicht das Richtige wäre.

Rainer Münch: Was mich da beschäftigt von dem, was Du auch gesagt hast, ist dass diese Polarisierung, einerseits Egozentrik, andererseits und noch weitere Dinge in Kombination mit dem aktuellen wirtschaftlichen, politischen Umfeld ja zu einer Entwicklung führen, wo man den Eindruck gewinnt, Nachhaltigkeit verliert an Bedeutung. Es gibt auch erste Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeitsziele reduzieren, auch auf Druck der Shareholder, weil natürlich in einem Umfeld, was wirtschaftlich nicht mehr so stabil ist und nicht mehr so viel Wachstum organisch erstmal bringt, vielleicht auch dann doch sozusagen der Cent nochmal zweimal umgedreht werden muss. Und auch jetzt, wenn man sieht: das Europaparlament und wie sich da die Zusammensetzung verschiebt und damit auch die Prioritäten verschieben, dann ist schon für mich auch eine Frage, ob wir da noch die gleiche Aktivität sehen werden, was Nachhaltigkeit und Klimaschutz etc. angeht wie in der letzten Legislaturperiode. Ist das auch etwas, was Dich beschäftigt oder bist Du da Optimist und sagst, das kommt alles wieder zurück in Kürze?

Florian Wieser: Nein. Ich finde die aktuellen Entwicklungen, wie viele auch, sehr besorgniserregend. Man darf das aus meiner Sicht auch nicht unterschätzen. Du hast Klimaschutz angesprochen, das sind sicher Themen, die, wenn man jetzt mit dem Klimawandel und unsere Anpassung daran, wenn man damit umgeht, das wird es nicht umsonst geben und es wird große Investitionen bedürfen. Wir können nicht so weitermachen wie in den letzten Jahren. Und Änderungen bedeutet für viele, dass sie auch gegebenenfalls verlieren, was sie bisher hatten. Insofern sind das schwierige und herausfordernde Bedingungen, die wir dort haben. Ich persönlich würde es aber unterscheiden. Wenn wir jetzt diskutieren: Was ist das Politische? Was sind staatliche Aufgaben? Was sind öffentliche Güter? Und was ist der Unternehmenskontext? Und ich bin sehr überzeugt davon, dass man, wenn man nachhaltig agiert, wenn man sich an Prinzipien hält, dass dies auch sehr, sehr viele Chancen bietet, auch in den neuen Märkten, in den neuen Geschäftsfeldern, die sich auftun, dort ganz bewusst auch Geld zu verdienen. Und das ist auch im Unternehmenskontext nichts Schlechtes. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass man diese beiden Sphären unterscheidet: Zum einen die politische, die öffentliche Debatte und dann auch die gesamte Aufgabe, die wir als Gesellschaft haben, und das getrennt sieht von der Sphäre der Unternehmen, die, wenn sie sich an Werte halten und an die Situation anpassen, auch gezielt Chancen nutzen können und auch dort gutes Geld verdienen können. Und meine Wahrnehmung ist es auch an Kapitalmärkten, jetzt wieder als CFO gesprochen: Märkte und Investoren mögen typischerweise Risiko nicht so gerne und Überraschungen nicht so gerne. Und je mehr man Vertrauen schafft und verlässlich ist und gemäß seinen Prinzipien agiert, desto erfolgreicher ist man typisch auch.

Rainer Münch: Finde ich eine schöne Verknüpfung von Nachhaltigkeit mit langfristiger Orientierung, Verlässlichkeit, Planbarkeit. Und ich glaube, das kann am Ende auch die gewinnende Strategie sein, um diesen Weg dann eben auch hinzubekommen. Weil kurzfristig wird es natürlich immer wieder Schwankungen geben und auch Druck geben. Ich finde es persönlich gerade so ein bisschen absurd, wenn man den Kontrast betrachtet zwischen den zunehmenden Naturereignissen und den Herausforderungen, die für die Menschheit daraus entstehen. Und parallel aber dieses Bremsen beim Thema Klimaschutz und Klimamaßnahmen. Wo die Kurzsichtigkeit so durchzuschimmern scheint.

Florian Wieser: Ich glaube, es ist auch eine Frage der Transparenz, der Klarheit. In Unternehmen haben wir auch sehr oft Umbrüche und Wandel. Transformation bedeutet: Manche finden Wandel gut, weil die gewinnen etwas; andere: Wandel? Für die ändert sich etwas, die finden das nicht so gut. Und meine Erfahrung im Berufsleben ist es, wenn man dem Team, den Kollegen Dinge erklärt, Pläne skizziert, eine Erwartungshaltung weckt, was passieren wird und auch, was die Schritte dorthin sind, dann ist es immer viel, viel leichter, dann auch alle auf die Reise mitzunehmen und dafür auch Verständnis zu bekommen. Wenn Leute wissen: Ja, es kommt jetzt erstmal ein Dip. Wir gehen da erstmal kurzfristig durch eine schwierige Phase, aber es ist jetzt schon klar, dass dann der Schritt, der daraus resultiert, was Positives bringt und uns langfristig in eine bessere Situation, eine wettbewerbsfreundlichere oder in eine kompetitive Lage versetzt, dann habe ich mal erlebt, dass Personen dann auch oder dass das Team dann mitzieht. Was ich immer schwierig finde und das vielleicht nochmal ein Blick auf die öffentliche Debatte, wenn man es Leuten zu einfach macht, wenn man sagt: Der Staat, der kümmert sich dann schon und wir subventionieren das dann alles und das wird dann schon alles gut. Dann ist meine Wahrnehmung, dass man dann schon merkt, dass das vielleicht nicht ganz so einfach ist, dass dann alles, immer wenn es schwierig wird, der Staat hilft, sondern dass die Aufgabe, die wir vor uns haben, eine schwierige ist und wenn man die gut erklärt und dann auch klare Schritte aufzeigt, die wahrscheinlich kommen werden, dann verstehen das Menschen, allgemein gesprochen, verstehen das Menschen auch.

Rainer Münch: Ich wollte das nur unterstützen. Ich glaube, das ist ja auch eine Erfahrung, die wir in Transformationsprojekten ganz regelmäßig machen, dass es entscheidend ist: Wie wird kommuniziert, wie wird irgendwie auch die Perspektive aufgezeigt, wie werden die Menschen mitgenommen auf dem Weg der Veränderung? Und ich glaube, da gibt es schon Defizite, wenn man sich das Management des Klimawandels vielleicht auch in der Gesellschaft anschaut. Und klar, es gab dann ein paar hölzerne Versuche auch mit Verboten. Gut, jetzt bist Du natürlich auch hier in Deiner Rolle als Group CFO von Engel & Völkers, und natürlich gibt es auch in dem Geschäftssegment moralische Fragen und Purpose vs. Profit Fragestellungen, die sich aufdrängen. Für mich steht Engel & Völkers für Luxusimmobilien, für wohlhabende Kunden, zugleich aber auch für ein Geschäftsmodell, was sehr stark auf unabhängige Makler setzt, die schauen müssen, wie sie dann an ihre Provisionen kommen in diesem Kontext. Da wirkt die Risikoverteilung recht einseitig und passt vielleicht nicht ganz zu dem von Dir auch eingangs zitierten Klosterverständnis. Wie schaust Du auf diesen vermeintlichen Widerspruch im Geschäftsmodell?

Florian Wieser: Ja, ich gebe Dir recht, auf den ersten Blick. Ich habe mal gesagt: Man soll sich vielleicht ein bisschen unabhängig machen von äußeren Einflüssen und jetzt, wie Du gesagt hast, Engel & Völkers steht für Luxusimmobilien, steht für einen Premiumanspruch und wir pflegen die Marke. Und Engel & Völkers steht auch dafür in allem, was wir tun. Ich habe trotzdem ganz, ganz viel von meinen Wertegerüst bei Engel & Völkers gefunden und ich habe, bevor ich dann zu Engel & Völkers gekommen bin, mich damit auch auseinandergesetzt. Und ich kann vielleicht ein paar Gedanken teilen, die ich gefunden habe und die für mich relevant waren. Wenn Du jetzt in unseren Markt als Engel & Völkers guckst. Wir sind im, wir nennen das im Residential-Immobilienmarkt, das heißt private Kunden, die ihre Immobilien verkaufen oder eine Immobilie kaufen möchten. Und das sind für die meisten unserer Kunden Entscheidungen, also sehr emotionale Entscheidungen, auch wirtschaftlich sehr bedeutende Entscheidungen. Und die treffen sie in ihrem Leben typischerweise nicht so oft. Manche Menschen nur einmal, manche Menschen ein paar Mal. Und wenn Du auf den Gesamtmarkt guckst, den Markt für Immobilienmakler: Das ist insgesamt ein sehr fragmentierter Markt. Es gibt sehr, sehr viele Anbieter und es gibt insgesamt sehr wenige Standards, sehr wenig Regulierung. Und was mir bei Engel & Völkers gut gefallen hat, ist der Anspruch, den das Unternehmen hat und den wir auch versuchen und da auch wirklich sehr, sehr viel Fokus darauf legen, dem Anspruch gerecht zu werden: Professionalität und Integrität im Handeln. Unser Anspruch ist es, unsere Kunden von dem ersten Kauf- oder Verkaufsinteresse bis hin zur finalen Transaktion durchgängig zu beraten, One-Stop-Shop sozusagen, und dort eine gute, dem Kunden dienende Beratung zu liefern. Deshalb sprechen wir auch bei uns jetzt immer weniger von Immobilienmaklern, sondern wir sprechen von Advisorn, weil das ist der Anspruch, dem wir gerecht werden wollen, den wir an unsere Immobilienmakler, den wir an die Makler anlegen. Ich glaube, das ist so dieses Eine: Wie agieren wir im Markt und wie gehen wir mit Kunden um? Und vielleicht auch als konkretes Beispiel: Wir hatten jetzt vor Kurzem wieder eine größere Transaktion, ein sehr interessantes Objekt, und hätten da eine gute Courtage verdient. Das ist ja das Geschäftsmodell. Wenn eine Immobilie verkauft wird, verdienen wir an der Courtage, die bezahlt wird. Und wir hätten die Transaktion durchführen können. Aber wir hätten sie nicht guten Gewissens durchführen können, weil es war dann mittelbar nicht ganz klar, ob alle Anforderungen, die der Käufer mitbringen soll, Sanktionslisten, Screening, Geldwäsche, alles was da so bei diesen Immobilientransaktionen mitschwingt, ob dann alles wirklich auch mittelbar, nicht nur unmittelbar bei dem direkten Käufer, sondern auch mittelbar dann erfüllt ist. Und obwohl dann der Legal-Check, also dass der Rechtsbereich gesagt hat: Ja, Ihr könnt die Transaktion machen. Wir haben uns trotzdem in der Geschäftsrunde dagegen entschieden, die Transaktion zu machen, weil wir gesagt haben, das passt nicht zu uns, das passt nicht zu unseren Werten. Also Integrität und Professionalität im Auftreten und im Geschäft sind uns da wichtig und das habe ich in den Gesprächen gefunden, bevor ich zu Engel & Völkers gekommen bin und ich sehe es auch im täglichen Doing.

Rainer Münch: Ich möchte gerne nochmal zurückkommen auf den Immobilienmakler. Und ich habe da auch ein bisschen quergelesen. Was sind da so aktuelle Perspektiven auch aus der Bevölkerung? Unter anderem bin ich da auf eine Befragung gestoßen von jungen Menschen von 18 bis 31. Da haben mehr als die Hälfte zum Ausdruck gebracht, dass sie wenig bis sehr wenig Vertrauen haben in Immobilienmakler. Natürlich, ich habe es angesprochen, gibt es da diesen Verkaufsdruck natürlich auch und diese Abhängigkeit von Courtage und den Provisionen. Glaubst Du, dass dieser Kontext es den Individuen einfach auch besonders schwierig macht, im Einklang mit ihrer Haltung die richtigen Dinge zu tun und vielleicht so eine Situation, wie Du sie jetzt für Engel & Völkers ganzheitlich geschildert hast, so zu entscheiden? Oder was glaubst Du ist da die Auflösung aus diesem Spannungsfeld?

Florian Wieser: Ja. Zum Hintergrund, warum vielleicht auch dann solche Umfragen zustande kommen. Auch bei uns bei Engel & Völkers sind die Immobilienmakler oder die Advisor, wir sie nennen, ganz, ganz überwiegend selbstständig. Das sind unabhängige, unabhängig tätige Makler und die verdienen ihren Lebensunterhalt aus erfolgreichen Transaktionen. Das heißt so typische Sicherheitsnetze aus einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gibt es da nicht. Nehmen wir mal so einen Makler, der frisch anfängt, der sich entscheidet, ich will Immobilienmakler werden. Bei Engel & Völkers durchläuft er dann erstmal eine Ausbildung. Das heißt wir legen sehr, sehr großen Wert darauf, dass der Makler geschult wird, dass er die Mindeststandards kennt, dass er weiß wie eine Akquise funktioniert, wie ein Listing funktioniert, wie die Transaktion als solche funktioniert, was Fallstricke sind. Dann muss er erstmal seine ersten Kunden, seine ersten Objekte akquirieren, dann den jeweiligen Counterpart finden und dann, bis die Transaktion und die Courtage auf seinem Konto landet, können dann fünf bis sechs Monate vergehen. Und in all der Zeit verdient ein neuer Immobilienmakler erstmal kein Geld. Der Markt ist sehr fragmentiert, das heißt es gibt sehr, sehr viele, die sich auf dem Markt tummeln und die Standards sind nicht ausgeprägt. Dann ist natürlich schon mal vielleicht die schnelle Mark dem einen oder anderen Makler wichtiger oder lieber als dann eine nachhaltig solide und werteorientierte Geschäftspolitik. Deshalb: Ich kann das vor dem Hintergrund verstehen. Wie wir das auflösen? Unser Anspruch ist es: Wir wollen, dass jeder Advisor, dass wir ihn in die Lage versetzen, seine persönliche Erfolgsgeschichte bei Engel & Völkers zu schreiben. Das ist so das Credo, das wir haben. Und dafür arbeiten wir hart. Ich habe gerade diese Ausbildung angesprochen. Wir nennen das die Academy. Gleichzeitig sorgen wir dafür, dass unsere Advisor Leads bekommen, also Verkaufsinteressenten oder Kaufinteressenten. Es gibt viele Advisor, die sind sehr erfolgreich, die sind sehr diszipliniert, haben eine hohe Vermittlungskompetenz, sind sehr erfolgreich in dem, was sie tun. Und dann gibt es auch andere Advisor, die kriegen das nicht hin, die machen zu wenige Transaktionen und können am Ende des Tages davon nicht leben. Und wie lösen wir das auf? Wir arbeiten hart daran, jeden erfolgreich zu machen. Auf der anderen Seite ist das nicht in jedem Fall möglich. Und wir weisen auch auf die Kehrseite des Ganzen hin, auf die Kehrseite der Medaille.

Rainer Münch: Was müsste aus Deiner Sicht passieren, damit in – ich sage jetzt mal zehn Jahren – bei so einer Umfrage herauskommt, dass 90 Prozent den Immobilienmaklern vertrauen?

Florian Wieser: Ich glaube, die professionellen Standards müssen sich verbessern. Der Markt ist unglaublich fragmentiert. Es gibt keinen einzigen, der zweistellige Marktanteile hätte, sondern es gibt sehr, sehr viele, die das nebenbei machen, die die Standards nicht haben und ich habe Zweifel, dass wir in zehn Jahren 90 Prozent Zustimmung auf die Frage kriegen würden. Das liegt aber auch so ein bisschen in der Natur der Sache. Wenn man Immobilientransaktionen macht und dann schon einen stattlichen Kaufpreis zahlen muss und dann kommt noch die Makler-Courtage am Schluss dazu – das ist, glaube ich, schon so ein grundsätzliches Geschäftsmodell oder ein Markt, wo dann 90 Prozent Zustimmung schwierig ist. Aber was muss geschehen? Wir müssen die Standards hochhalten, wir müssen den Markt weiter professionalisieren.

Rainer Münch: Zum Abschluss möchte ich nochmal auf die persönliche Perspektive wechseln. Ich hatte Dich ja gebeten, aus dem Buch "Fragebogen von Max Frisch" eine Lebensfrage auszuwählen. Für welche hast Du Dich denn entschieden?

Florian Wieser: Ich habe mich für die Frage "Haben Sie Humor, wenn Sie alleine sind?” entschieden.

Rainer Münch: Warum? Und was ist Deine Antwort?

Florian Wieser: Bei Max Frisch da waren ja sehr, sehr viele essentielle Lebensfragen, die da auftauchen. Ich fand die Frage sehr charmant und sie passt, finde ich gut zu dem Wert, über den wir heute gesprochen haben, zum Wert der Demut. Denn ja, wenn man über sich selber lachen kann, dann nimmt man sich nicht ganz so ernst und das ist eine schöne Komponente, die zur Demut passt und deshalb fand ich die Frage schön.

Rainer Münch: Gibt es Situationen wo Du alleine bist und laut lachen musst und laut lachst?

Florian Wieser: Ich lache sehr gerne, auch wenn ich alleine bin. Ich kann zum Beispiel sehr herzhaft lachen, wenn ich alleine eine Folge Stromberg gucke. Da kann ich immer wirklich auch alleine herzhaft lachen. Aber klar, wenn man zusammen ist in einer größeren Gruppe, lacht es sich immer noch viel schöner. Aber ich kriege das dann doch ab und zu auch alleine hin.

Rainer Münch: Als ich diese Fragen gesehen habe, und da gibt es halt eben auch die zum Humor, gibt es da noch eine zweite Humorfrage, die ich gerne nachschieben würde, und zwar: “Wenn Sie von einem Menschen sagen, er habe Humor, meinen Sie damit, dass er Sie zum Lachen bringt, oder dass es Ihnen gelingt, ihn zum Lachen zu bringen?”

Florian Wieser: Ja, ich finde persönlich immer: Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Und das trifft so ein bisschen beides.

Rainer Münch: Also Ich finde, das ist eine sehr entlarvende Frage, die eben einfach sozusagen nochmal diesen Perspektivwechsel auch forciert. Und Du hattest es ja auch angesprochen mit der Egozentrik. Bei mir zumindest hat es das ausgelöst zu sagen: Ja, das ist eigentlich gar nicht so einfach, die Antwort auf die Frage, weil man natürlich finde ich dieses "ein Mensch ist humorvoll" damit verbindet, dass man viel zusammen lacht. Ja, und dann gar nicht unbedingt darüber nachdenkt, ob die Person über einen lacht oder eben einen zum Lachen bringt. Aber ich finde Deine Antwort auch da treffend. Am Ende geht es um das gemeinsame Lachen und um das gemeinsame, ich sage jetzt mal, fröhlich sein. Und eben nicht so sehr darum, wo die Quelle liegt.

Florian Wieser: Ja, das hast Du mal schön gesagt. Also die erste Frage, die durfte ich mir ja aussuchen. Die zweite kam jetzt spontan. Aber ich glaube der Aspekt, den Du gerade gesagt hast, der ist sehr schön, weil es darf am Ende gar nicht darum gehen, dass man jemanden bewusst zum Lachen bringen muss, sondern es geht um das Lachen selbst, und den Spaß an der Freude an sich. Und Du hast das gerade, ich kann es gar nicht, ich verschlimmbessere es nur, Du hast das gerade sehr schön gesagt.

Rainer Münch: Dann haben wir doch einen schönen Abschluss, indem wir über das Lachen und das gemeinsame Lachen sprechen. Lieber Florian, herzlichen Dank für das Gespräch. Es war mir eine große Freude. Ich hoffe, Dir auch.

 

Florian Wieser: Vielen Dank. Es hat sehr viel Spaß gemacht. Und nochmals vielen herzlichen Dank für die Einladung.

 

    Florian Wieser ist CFO von Engel & Völkers. Beim Thema Werte ist er sehr klar: Demut würde uns allen zurzeit sehr guttun. Er beschreibt in der aktuellen Folge, wie ihn bereits seit seiner Schulzeit die Bescheidenheit der Benediktiner nachhaltig geprägt und beeindruckt hat. Das Gespräch widmet sich Themen wie Konsumstreben, zunehmender Polarisierung und verstärkter Egozentrik in der Gesellschaft aber auch der zunehmenden Selbstpositionierung von Führungskräften auf LinkedIn, die an vielen Stellen kein Paradebeispiel für Demut ist. Er erklärt, warum man manchmal eine „geistige Kniebeuge“ machen sollte, wenn wichtige Entscheidungen im Berufsalltag anstehen. Und er beschreibt ausführlich die Arbeit von Immobilienmaklern in der Praxis.

    Das Gespräch wurde aufgezeichnet im Juni 2024.

    Den Podcast gibt es hier: Apple Podcasts | Spotify | YouTube

    Rainer Münch: Heute ist Florian Wieser zu Gast. Er hat seine Berufskarriere in der Unternehmensberatung begonnen, bevor es 2011 zur Metro Group ging und von dort zu MediaMarktSaturn. Dort stieg er schnell zum CFO von Italien, von Deutschland und schließlich der gesamten AG auf. Vor etwa einem Jahr war es dann Zeit für einen Tapetenwechsel und er übernahm die Rolle des Global CFO bei Engel & Völkers. Daneben ist Florian ein leidenschaftlicher Tennisspieler und lebt mit seiner Frau in München. Lieber Florian, ich freue mich sehr, dass Du heute im Podcast Purpose vs. Profit bei mir zu Gast bist.

    Florian Wieser: Ja, vielen Dank, Rainer. Herzlichen Dank für die Einladung. Ich freue mich sehr, heute hier zu sein. Spannendes Thema und deshalb habe ich die Einladung auch sehr gerne angenommen.

    Rainer Münch: Du hattest in unserem Vorgespräch schon angedeutet, dass das Thema Wertorientierung bei Dir irgendwie auch schon eine frühe Prägung war. Vielleicht kannst Du das nochmal so ein bisschen schildern, wo Du herkommst und wie Du aufgewachsen bist.

    Florian Wieser: Ich sage gerne ein paar Worte noch zu mir und auch zur Einordnung. Und ich glaube, das hilft dann auch ein bisschen, warum mir das Thema gut gefallen hat. Also ich bin in Augsburg aufgewachsen, zusammen mit zwei Geschwistern, zwei Brüdern, ich war der mittlere von uns dreien. Und ich habe meine Schulzeit auf einer benediktinischen Klosterschule verbracht und habe da so den klassischen Kanon durchlaufen, also war auf dem humanistischen Zweig, habe mit Latein angefangen. Dann kam Altgriechisch dazu und ich habe dann auch später die Leistungskurse bewusst in dem humanistischen Zweig gesucht und habe Altgriechisch und Deutsch als Leistungskurse gewählt und mich dann dort spezialisiert. Und wie Du Dir vorstellen kannst, humanistischer Zweig, da spielen dann Werte und das Korsett eine große Rolle.

    Rainer Münch: Würdest Du sagen, dass diese Klosterschule irgendwie Dich auch besonders geprägt hat? Oder war es dann eher das Umfeld, oder waren es eher die Inhalte, um die es da ging in der Prägung?

    Florian Wieser: Es war beides. Also neben den Inhalten, die natürlich klar eine große Rolle spielen, dann auch die Umgebung der Klosterschule, die Mönche, die schon ihren Lebensinhalt dann auch in der Ausbildung, in der Erziehung der Kinder sehen und sehr engagiert waren. Es gab sehr viele Angebote neben der Schule: ein Orchester, Reisen, besondere Angebote neben dem eigentlichen Schulkanon im Kloster. Einfach eine enge Verbindung. Und das war schon ein besonderes Umfeld. Und gleichzeitig auch meine Familie, meine Eltern natürlich haben mich auch stark geprägt.

    Rainer Münch: Und gab es da sozusagen im Klosterleben, wie Du das so erlebt hast in der Schulzeit bei den Mönchen irgendwas, was Dich vielleicht auch noch mal inspiriert hat? Wie gelebt wird? Wie miteinander umgegangen wird?

    Florian Wieser: Die Benediktiner, die leben ja sehr stark nach der Benediktsregel. Und was mich an deren Leben, also es ist ja zum einen schon auch ein hartes Leben, denn die benediktinischen Mönche leben sehr eigen. Das heißt Schweigen ist ein wichtiger Bestandteil. Beten ist ein großer Bestandteil. Das heißt das gemeinsame Zusammenleben spielt eine kleinere Rolle als jetzt in einem typischen Zusammenleben, so wie wir es vielleicht jetzt gewohnt sind. Was mir sehr gut gefallen hat und was mich auch nachhaltig geprägt und beeindruckt hat, ist die Bescheidenheit der Benediktiner, dass man sich nach der Benediktsregel unabhängig machen soll von externen Einflüssen, von Streben nach Konsum von externen Gütern und dass die Freude im Kleinen, das bewusste Wahrnehmen, das Genießen von Momenten, das bewusste Genießen von Momenten, eine große Rolle spielt.

    Rainer Münch: Und damit sind wir natürlich schon mittendrin, auch in den Themenblöcken, die ich mit Dir vertiefen möchte. Einmal Deine Werte, zum zweiten dann auch ein Gegenstand, den Du mitgebracht hast. Ich sehe ihn schon. Da kommen wir gleich nochmal darauf zurück. Aber auch eine moralische Frage, was Deine Tätigkeit angeht, Deine Berufstätigkeit. Und dann hast Du Dir eine der Lebensfragen von Max Frisch ausgesucht, die wir vertiefen möchten. Wenn ich zurückkomme auf das Thema Werte: Wie würdest Du Deine persönlichen Werte beschreiben? Was ist denn ein besonders wichtiger Wert für Dich?

    Florian Wieser: Ja, als ich die Frage von Dir auch zur Vorbereitung mitbekommen habe, habe ich einerseits natürlich über meinen Wertekanon nachgedacht und auch was jetzt im Zusammenhang mit Purpose vs. Profit von Bedeutung ist. Und ich würde ganz gerne über einen Wert sprechen, der für mich schon immer auch für meine Prägung, über die wir gesprochen haben, wichtig ist. Es wäre schön, wenn dieser Wert in der aktuellen Zeit mehr an Bedeutung gewinnen würde. Ich nehme die aktuelle Zeit wahr, dass wir immer mehr nach Konsum streben, dass wir mehr und mehr Polarisierung erleben in vielen Bereichen. Und ich nehme auch wahr, dass es eine verstärkte Egozentrik gibt, sich selbst darzustellen. Das sind so vielleicht drei Punkte, die ich wahrnehme. Und ein Wert, der mir sehr wichtig ist und der dem entgegensteht, ist Demut. Demut ist für mich persönlich ein sehr wichtiger Wert. Und gerade in dieser aktuellen Zeit, in dieser Situation mit diesen Tendenzen, die ich beschrieben habe, würde Demut aus meiner Sicht uns allen guttun.

    Um das vielleicht ein bisschen besser einzuordnen: Viele sagen ja Demut, oh, das klingt nicht gut. Das ist nicht für sich selber einzustehen, sich selber klein machen. Oder dann steckt Demut ja auch im Wort Demütigung drin. Und all das meine ich nicht. Das ist genau nicht die Interpretation von Demut, die ich im Sinn habe. Sondern ich verbinde mit Demut verschiedene Facetten. Über die eine haben wir gerade gesprochen: benediktinisches Leben, bewusste Wahrnehmung von Dingen. Andere Elemente von Demut, die mir wichtig sind, ist zum einen im altgriechischen Unterricht. Wir haben eingangs darüber gesprochen. Da habe ich auch meine Ausbildung genossen sozusagen. Die Griechen sprechen von Mēdén ágan. Das heißt auf Deutsch "nichts im Übermaß". Und die Griechen haben damit auch eine bestimmte Art von Bescheidenheit damit verbunden. Und die meinen damit: Man soll sich selber nicht so ernst nehmen, sondern man soll auch erkennen, wo andere Personen Stärken haben. Und wo andere Personen vielleicht Dinge besser können als man selbst. Und das heißt jetzt wiederum nicht, dass man nicht für sich selbst einsteht. Sondern unter dem Verständnis von Demut kann man schon sehr wohl, es ist sogar explizit gewünscht, dass man seine eigenen Stärken kennt. Dass man eine gesunde Portion Selbstbewusstsein hat. Weil nur ein auch demütiger, selbstbewusster Mensch, der erkennt dann die Stärken bei anderen, der hat es nicht nötig, sich auf Kosten anderer zu profilieren. Und wenn wir jetzt vielleicht auf die Unternehmensebene gucken: Der schafft es dann auch ein gutes Team zusammenzustellen. Und dann bewusst schwarze Flecken, die es dann hier und da gibt, was die Fähigkeiten des Teams oder die eigenen Fähigkeiten anbelangt, bewusst zu schließen.

    Rainer Münch: Ich finde das spannend, wie Du da auch Demut einordnest und abgrenzt von Demütigung und diesem Negativen, und eben dieses Positive darin siehst. Was es auch für einen Beitrag hat, dann im beruflichen Kontext. Wie passt das für Dich zusammen mit durchaus ja positiven Dingen wie mehr Emotion, Spontanität, Lebensfreude? Was ja vielleicht im ersten Moment so einen Gegensatz bilden könnte zu diesem Thema Disziplin und Selbstbeherrschung, was ja auch mit Demut verbunden wird.

    Florian Wieser: Genau. Du hast gerade mal zwei Punkte genannt, die aus meiner Sicht auch sehr wichtig sind. Du hast gerade gesagt Disziplin. Ja, ich glaube, es ist gerade auch im unternehmerischen Umfeld sehr, sehr wichtig, dass man sich sorgfältig mit Dingen auseinandersetzt, auch wenn Dinge vielleicht auf den ersten Blick leicht erscheinen und man die nebenbei macht. Mir ist es sehr, sehr wichtig, tatsächlich auch im beruflichen Umfeld sich sehr akkurat, akribisch, sorgfältig mit Dingen auseinanderzusetzen und sich darauf vorzubereiten. Und zum anderen, dann kommen wir vielleicht schon auf das Thema: Wie passt das zusammen mit Heiterkeit? Du hast Selbstbeherrschung genannt, Rainer. Ich persönlich, ich mag es im beruflichen Umfeld nicht so gerne, wenn Leute ihren Launen freien Lauf lassen. Wir alle haben ja unsere guten Tage und unsere schlechten Tage. Und dafür können aber die Mitarbeiter oder die Kollegen dann im beruflichen Umfeld nichts. Und deshalb verbinde ich mit Demut auch die Eigenschaft, nicht jähzornig zu sein, aber auch nicht zornlos zu sein, sondern schon auch seine Emotionen dann zu zeigen, aber eben kontrolliert und so, dass die Kollegen, Mitarbeiter immer möglichst die beste Version eines selbst dann jeden Tag um sich haben. Und ja: Wie passt das zur Heiterkeit? Ich bin überzeugt und ich versuche das auch für mich selbst: Jemand, der mit sich im Reinen ist, der zufrieden ist, der – um noch einmal auf die Benediktsregel zu sprechen zu kommen – Dinge bewusst wahrnimmt, sich gar nicht so sehr abhängig macht von aktuellen Trends, von äußeren Einflüssen, sondern der in der Lage ist, bewusst zu genießen, bewusst wahrzunehmen und auch sich an kleinen Dingen zu erfreuen, und das jeden Tag, der ist dann ein glücklicher Mensch und ist zufrieden und freut sich dann über schöne Dinge, die hoffentlich ganz, ganz viel und ganz, ganz oft kommen, umso mehr.

    Rainer Münch: Wenn Du Achtsamkeit ansprichst, dann muss ich auch an die Frage denken: Nimmst Du Dir Zeit für Dich? Ist es das, was für Dich auch eine Priorität hat, eben in der Achtsamkeit?

    Florian Wieser: Ja. Ich würde sagen, ich werde besser darin, Zeit für mich selbst zu nehmen. Als ich angefangen habe zu arbeiten – und Du hast ja ein bisschen erzählt über meine verschiedenen Stationen – das waren alle Stationen, wo dann auch viel Einsatz gefordert wird und das war auch ein sehr kompetitives Umfeld. Unternehmensberatung, das weißt Du besser als ich. Im Handel, wo ich gearbeitet habe: ein sehr wettbewerbsintensives Umfeld, wo sehr viel Einsatz und sehr viel Engagement nötig sind. Als ich jünger war und gerade in den ersten Berufsjahren habe ich das zu wenig gemacht. Und jetzt gerade durch den Tapetenwechsel vom Handel in den anderen Sektor habe ich das nochmal jetzt bewusster gelernt, auch vielleicht eine gewisse emotionale Distanz zu Themen, eine gesunde emotionale Distanz zu Themen zu gewinnen, und sich dann bewusst Zeit zu nehmen, um dann die Zeit, die man wieder dann bewusst arbeitet, auch dann besser, effizienter, zufriedener und insgesamt besser zu sein. Ich glaube, das trifft es dann einfach.

    Rainer Münch: Jetzt möchte ich noch mal kurz zurückspringen zu einem Aspekt, den Du eben auch genannt hast, nämlich das Thema Selbstbeherrschung und Emotionen und auch negative Emotionen. Jähzorn hast Du genannt. Dass Du es eben nicht gut findest, wenn Mitarbeiter und Führungskräfte das ausleben. Wie geht man denn damit gut um, wenn es bei anderen der Fall ist? Hattest Du da schon Situationen, wo Du entweder als Betroffener oder als Vorgesetzter dann eben auch so eine Situation erlebt hast? Und wie hast Du die aufgelöst? Und würdest Du das in Zukunft vielleicht anders machen?

    Florian Wieser: Das ist keine einfache Frage und da gibt es sicher auch kein Patentrezept. Ich habe das selber oft erlebt. Klar, gerade in Drucksituationen, wenn es gerade mal eine herausfordernde Lage gibt, in schwierigen Situationen dann zwischen vielleicht zwei nicht optimalen Optionen entschieden werden muss, und der Druck steigt, dann kommt es dann oft oder in vielen Situationen dazu. Wenn ich auf die verschiedenen Ebenen gucke in meinem Team, bei meinen Mitarbeitern, wenn soetwas passiert: Ich spreche das an. Man kann das nicht verhindern. Wir sind alle Menschen und das ist völlig normal, dass das immer wieder passiert. Niemand ist perfekt. Aber ich spreche das aktiv an und mir ist das ganz, ganz wichtig, dass in meinem Team besonders, wo wir eng zusammenarbeiten, dass dieser Grundsatz Selbstbeherrschung, wir versuchen alle gut miteinander umzugehen, dass wir das gut beherrschen und wenn es mal nicht klappt, sprechen wir es an. In Führungsgremien, wenn wir zusammen in der Geschäftsführung sitzen, klar, passiert das dann auch mal und wir pflegen da auch einen offenen Austausch. Also wir sprechen, wir gehen direkt miteinander um, immer wertschätzend, immer achtsam. Den Begriff hast du ja benutzt, der passt auch aus meiner Sicht gut dazu, und wir versuchen uns dann wieder selbst zu regulieren. Ich glaube, das ist tägliche Übung und man muss immer darauf achten, wenn sich mal etwas einschleift, dass man es dann wieder rechtzeitig behebt. Und wenn die Beziehungen an sich und das Vertrauen zueinander grundsätzlich intakt sind, dann funktioniert das auch gut. Wenn das Vertrauen zwischen zwei Personen oder einer Gruppe grundsätzlich nicht da ist, dann fällt auch die Selbstregulierung schwieriger.

    Rainer Münch: Was ich immer in diesen Situationen versuche, ist vor allem auch genügend Raum zu geben und sozusagen auch in mehrerer Hinsicht zu verhindern, dass sich da etwas aufschaukelt. Und durch eine starke Gegen-Emotion oder Gegen-Reaktion wird es ja häufig alles nur noch schlimmer. Und dann dem Raum zu geben, Abstand zu nehmen, vielleicht auch den Raum zu wechseln oder diese berühmte Nacht drüber zu schlafen, auch je nachdem wie emotional es wird, finde ich, ist es ganz wichtig, um da einfach irgendwie auch eine gewisse Erdung reinzukriegen.

    Florian Wieser: Ich muss gerade schmunzeln, wo Du sagst "eine Nacht drüber schlafen”, weil einer meiner ersten CEOs, mit denen ich gearbeitet hatte, das war damals bei MediaMarktSaturn in der deutschen Landesgesellschaft, der hat immer zu mir gesagt: "Herr Wieser, jetzt nehmen wir uns nochmal eine geistige Kniebeuge und kommen dann morgen nochmal zusammen und entscheiden das dann." Und dieses Bild der geistigen Kniebeuge, das fand ich immer schön. Das habe ich mir beibehalten und habe ich auch immer so im Auge, wenn ich eine wichtige Entscheidung treffe, auch mit Leuten aus meinem Team, oder die über die Beförderung nachdenken oder über einen Schritt ins Ausland oder über irgendetwas. Ich sage dann immer: "Denkt noch einmal darüber nach. Packt alles zusammen. Macht die geistige Kniebeuge und dann entscheiden wir das."

    Rainer Münch: Ein schönes Bild, ja. Und wenn wir bei einem schönen Bild sind, wandert mein Auge zu Dir herüber. Ich sehe einen Stift, einen Füllfederhalter, den Du mitgebracht hast: blau. So ähnlich sehe ich ihn auch bei meinen Kindern auf den Schreibtischen. Und vielleicht kannst Du mal erzählen, was Du dabei hast und was Du damit verbindest.

    Florian Wieser: Ich habe meinen Lamy-Füller mitgebracht. Deshalb kann ich mir gut vorstellen, dass Deine Kinder auch den einen oder anderen Lamy-Füller auf ihren Schreibtischen haben. Ich habe meinen Lamy-Füllfederhalter in der fünften Klasse geschenkt bekommen, als ich auf’s Gymnasium gewechselt bin und habe mit dem Füller sehr, sehr viele Schulaufgaben, sehr, sehr viele Klausuren dann im Studium geschrieben, und habe den eigentlich seit der fünften Klasse immer bei mir. Der ist auch mittlerweile ein bisschen in die Jahre gekommen. Er ist über 30 Jahre alt, hat die ein oder andere Schramme, funktioniert aber immer noch gut. Und auch heute, wenn ich einen wichtigen Vertrag unterschreibe, zum Beispiel einen neuen Arbeitsvertrag oder Sonstiges, dann mache ich das bis heute ganz gern mit dem Füller.

    Rainer Münch: Gibt es Geschichten, Erlebnisse, die Du damit verbindest?

    Florian Wieser: Jeder erinnert sich an die Abi-Klausuren oder an eine wichtige Schulaufgabe oder sonstige Dinge. Deshalb: Ja, ich habe viele Erinnerungen, aber jetzt nicht irgendetwas, wo ich sage, da hat der Füller irgendetwas Besonderes gemacht, sondern der war einfach beständig über die Jahre mein treuer Begleiter und ich habe mit dem ja viele wichtige Dinge geschrieben. Ich hoffe wichtige. Da hat auf jeden Fall bisher so alles ganz gut geklappt. Ich habe alles, was ich gelernt habe und was mich geprägt hat, habe ich dann nochmal aufgeschrieben in Aufsätzen, in den Schulaufgaben, über die wir gesprochen haben. Und deshalb: Wenn ich den in der Hand habe, erinnert er mich so ein bisschen daran, was ich gelernt habe, welchen Weg ich gelaufen bin. Und ja, es ist immer so eine Erinnerung daran. Und wenn man dann was unterschreibt, wenn man unterschreibt, auf die Hand guckt, der Füller liegt dann in der Hand, denkt man nochmal: Ist das alles richtig? Passt das dazu? Ist alles im Einklang mit seinen eigenen Vorstellungen, Werten, Prioritäten? Und deshalb habe ich ihn dabei.

    Rainer Münch: Ich glaube, es gibt ja auch berufliche Stationen oder Erfahrungen, die Du damit verbindest.

    Florian Wieser: Bevor ich angefangen habe zu studieren, war eine der Voraussetzungen, dass man ein Praktikum in einem Unternehmen absolviert hat. Und ich habe mein Praktikum damals direkt nach dem Abitur in einer Volksbank Raiffeisenbank absolviert. Das war im Jahr 2002. Und da kam ich in den Bereich Zahlungsverkehr. Und das darf man sich nicht so vorstellen im Jahr 2002 in einer Volksbank Raiffeisenbank, wie das heute der Fall ist: alles digitalisiert, alles mit Online-Banking. Sondern damals in dieser Filiale, in einer ländlichen Filiale, da war noch alles manuell. Das heißt die Kunden haben in großer Vielzahl händisch ausgefüllte Überweisungsträger eingeworfen. Und die Abteilung, da saßen zwei Damen in dieser Abteilung Zahlungsverkehr, die haben erstmal diese Überweisungsträger gescannt und an einen Scan-Dienstleister geschickt, der die dann ausgewertet hat und das Gesamtergebnis immer von 100 Überweisungsträgern aufaddiert zurückgeschickt hat. Da gab es dann die Scan-Bilder und die Gesamtsumme dieser 100 Überweisungsträger. Und weil man sich ja nicht sicher war, dass die damals noch nicht ausreichend guten Maschinen das sauber ausgelesen haben, haben die Damen Tag ein und Tag aus die 100 Überweisungsträger mit einem Taschenrechner aufaddiert. Also, man kann sich das nicht vorstellen: stapelweise jeden Tag diese Überweisungsträger, die die immer mit einem Taschenrechner manuell nachgetippt haben. Und wenn dann das Ergebnis des Scan-Dienstleisters mit dem händisch nachgerechten Ergebnis in Einklang war, dann war es in Ordnung und dann wurde es verbucht. Und ich war dann den ersten Tag da, war noch gewohnt: hier humanistische Klosterschule, Griechisch und sonst irgendetwas – und dann saß ich da und dann haben die gesagt: “Hier darfst Du anfangen.” Und da habe ich angefangen, diese Überweisungsträger aufzutippen. Und schon nach wenigen Stunden, das ist ja wirklich eine monotone Arbeit, hat mich das wahnsinnig gemacht. Und das war wirklich herausfordernd.

    Und die beiden Damen, die da saßen in der Abteilung, die das mit mir gemacht haben, die waren schon seit vielen Jahren da. Und die haben das mit einer Begeisterung, ja also Begeisterung ist vielleicht ein bisschen viel, aber mit einer Hingabe und Zufriedenheit gemacht und haben sich immer wieder gegenseitig Spielchen ausgedacht. Wer macht irgendwie einen Haufen Holz am schnellsten? Wer schafft die meisten Hunderter-Blocks ohne Fehler? Und haben sich dann gegenseitig immer wieder so spielerisch herausgefordert und waren wirklich in ihrer Tätigkeit glücklich und zufrieden. Und als ich dann abends nach Hause kam: Mich hat das wirklich zutiefst beeindruckt, weil das ist Demut, über was wir gesprochen haben, par excellence. Die haben die Aufgaben mit Disziplin, mit Akribie, mit Sorgfalt ausgefüllt, haben sich an kleinen Dingen gefreut und haben jeden Tag einen glücklichen, zufriedenen Arbeitsalltag gehabt. Das finde ich bis heute sehr, sehr bewundernswert und ich erzähle die Geschichte auch gerne. Ich hoffe, das hört man heraus. Und das hat mich damals schwer beeindruckt und ist mir bis heute ein Vorbild. Auch wenn man in seinem täglichen Tun Dinge hat, die einem vielleicht mal keinen Spaß machen, die dann nicht so abwechslungsreich sind. Es gibt eben viele Dinge, die gehören dazu. Und wenn man dann arbeitet, ist auch der Anspruch, den ich an mich selber stelle, und auch an diejenigen, die in meinem Team mit mir arbeiten, dass wir die Dinge, die wir dann tun, gut machen, akribisch und sorgfältig machen. Und das muss, finde ich, der Anspruch sein.

    Rainer Münch: Was ich mir dabei gedacht habe, als Du das erzählt hast: Es ist natürlich auch eine schöne Reflektion der Vielfalt, die sich uns heute bietet und meinen Kindern bietet bei der Berufswahl und in der Arbeitswelt. Und dass es eben ganz viele unterschiedliche Möglichkeiten gibt. Und am Ende geht es ja auch darum, dass jemand etwas findet, was einen zufrieden macht und wo man eben auch dann nicht vielleicht jeden Tag, aber häufig gerne zur Arbeit geht und da irgendwo auch eine gewisse Befriedigung findet. Und das ist schon auch, wenn man so zurückblickt in der Geschichte, natürlich eine große Errungenschaft, wo wir da heute stehen und welche Möglichkeiten es gibt und wie man sich einen Platz suchen kann in der Arbeitswelt, der einen dann eben auch glücklich macht.

    Florian Wieser: Ja, da stimme ich Dir voll und ganz zu.

    Rainer Münch: Mein Großvater war Müller, hatte eine Mühle und hatte drei Söhne, einer davon mein Vater. Und der Älteste, der musste dann die Mühle übernehmen. Der musste eine Müllerlehre machen, musste Müller werden und der wollte das auf gar keinen Fall. Aber es gab da eben keine Alternative dazu. Und dann hat ihn sozusagen die Natur aus der Situation befreit und er hat eine Mehlallergie entwickelt, was sich natürlich mit dem Müller-Dasein nicht vereinbaren lässt. Und da hat dann eben auch der Großvater, sein Vater, eingesehen, dass es nicht sein soll und er hat ihn dann sozusagen aus dieser Pflicht entlassen. Und er wurde dann ein sehr erfolgreicher Unternehmer. Und er ist, glaube ich, bis heute dankbar, dass es diese Allergie dann auch gab. Und dann hat mein anderer Onkel dann übernommen und es ist dann auch alles gut gegangen und er war glücklich in der Rolle. Jetzt sind wir so ein bisschen in die Arbeitswelt eingetaucht. Wollen wir nochmal zurückspringen auf die Kapitalperspektive? Und das Thema Purpose vs. Profit hat natürlich auch eine Shareholder-Komponente, ganz stark. Was ist da Deine Sicht? Wie blicken die Shareholder heutzutage auf Themen wie Demut in der Arbeitswelt, also in der Geschäftswelt und in der Unternehmensführung?

    Florian Wieser: Das ist auch eine schwierige Frage, wie sie auf Demut gucken. Es gibt da, ich glaube auch hier verschiedene Trends, die ich beobachte. Wenn man heute Portale aufmacht wie LinkedIn, nehme ich wahr, dass es sehr viele Führungskräfte gibt, die diese Medien auch sehr stark nutzen, um sich selbst zu positionieren. Und das ist dann vielleicht nicht so das Paradebeispiel für Demut. Dann gibt es aber auch viele, viele Beispiele von Unternehmen oder auch am Kapitalmarkt, wo man bewusst auf Werte setzt und wo Werte auch eine wichtige Rolle spielen. Also wir erleben momentan die ganzen Debatten um ESG. Das ist für alle Unternehmen einmal regulatorisch, aber auch viele Unternehmen sehen große Geschäftschancen darin. Das heißt die Verbindung mit Werten sehe ich auch, dass das klar an Bedeutung gewinnt. Viele Fonds investieren gar nicht mehr in Unternehmen, wenn bestimmte Voraussetzungen, bestimmte Werte, bestimmte Vorgaben nicht erfüllt sind. Das heißt ich nehme auch wahr, dass es dorthin doch einen starken Trend gibt, dass sowas an Bedeutung gewinnt und wenn man es nicht erfüllt, in der Negativabgrenzung dann sogar ein K.O.-Kriterium für Investitionen am Kapitalmarkt darstellt.

    Wenn man auf Finanzierung guckt, ich bin ja selber CFO, seit einigen Jahren gibt es auch Finanzierungsinstrumente, die an Werte gekoppelt sind. Es gibt zum Beispiel Green Bonds, das heißt wenn man bestimmte Kriterien erfüllt, dann kriegt man sogar Vorteile bei der Finanzierung, also kriegt tatsächlich günstigere Konditionen. Das heißt also auch hier tatsächlich dann, wenn es wirklich um Renditen geht, dann beobachte ich, dass die Themen mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Das heißt Werte und Wertegetriebenheit aus meiner Perspektive gewinnt an Bedeutung und wenn man erfolgreich agieren möchte, ist das eine Conditio sine qua non. Wie sich das mit der Demut jetzt, das ist so das andere, was wir anfangs noch kurz gestreift haben, da gibt es glaube ich verschiedene Schattierungen, da fällt es mir jetzt schwer zu sagen. Ich persönlich, deshalb habe ich das Thema ja auch heute angesprochen, ich glaube, das ist ein Wert, der uns guttun würde, wenn wir ihn stärken würden. Ich persönlich sehe, dass dieses Thema: Egozentrik hatten wir genannt, Konsum hatten wir genannt, Polarisierung hatten wir ganz am Anfang angesprochen, dass die vielleicht aktuell zu stark sind, und dass so ein gesundes Gegengewicht, so eine gesunde Balance aus Demut und einer gesunden Portion dann auch an Außendarstellung, dass die vielleicht, dass das vielleicht das Richtige wäre.

    Rainer Münch: Was mich da beschäftigt von dem, was Du auch gesagt hast, ist dass diese Polarisierung, einerseits Egozentrik, andererseits und noch weitere Dinge in Kombination mit dem aktuellen wirtschaftlichen, politischen Umfeld ja zu einer Entwicklung führen, wo man den Eindruck gewinnt, Nachhaltigkeit verliert an Bedeutung. Es gibt auch erste Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeitsziele reduzieren, auch auf Druck der Shareholder, weil natürlich in einem Umfeld, was wirtschaftlich nicht mehr so stabil ist und nicht mehr so viel Wachstum organisch erstmal bringt, vielleicht auch dann doch sozusagen der Cent nochmal zweimal umgedreht werden muss. Und auch jetzt, wenn man sieht: das Europaparlament und wie sich da die Zusammensetzung verschiebt und damit auch die Prioritäten verschieben, dann ist schon für mich auch eine Frage, ob wir da noch die gleiche Aktivität sehen werden, was Nachhaltigkeit und Klimaschutz etc. angeht wie in der letzten Legislaturperiode. Ist das auch etwas, was Dich beschäftigt oder bist Du da Optimist und sagst, das kommt alles wieder zurück in Kürze?

    Florian Wieser: Nein. Ich finde die aktuellen Entwicklungen, wie viele auch, sehr besorgniserregend. Man darf das aus meiner Sicht auch nicht unterschätzen. Du hast Klimaschutz angesprochen, das sind sicher Themen, die, wenn man jetzt mit dem Klimawandel und unsere Anpassung daran, wenn man damit umgeht, das wird es nicht umsonst geben und es wird große Investitionen bedürfen. Wir können nicht so weitermachen wie in den letzten Jahren. Und Änderungen bedeutet für viele, dass sie auch gegebenenfalls verlieren, was sie bisher hatten. Insofern sind das schwierige und herausfordernde Bedingungen, die wir dort haben. Ich persönlich würde es aber unterscheiden. Wenn wir jetzt diskutieren: Was ist das Politische? Was sind staatliche Aufgaben? Was sind öffentliche Güter? Und was ist der Unternehmenskontext? Und ich bin sehr überzeugt davon, dass man, wenn man nachhaltig agiert, wenn man sich an Prinzipien hält, dass dies auch sehr, sehr viele Chancen bietet, auch in den neuen Märkten, in den neuen Geschäftsfeldern, die sich auftun, dort ganz bewusst auch Geld zu verdienen. Und das ist auch im Unternehmenskontext nichts Schlechtes. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass man diese beiden Sphären unterscheidet: Zum einen die politische, die öffentliche Debatte und dann auch die gesamte Aufgabe, die wir als Gesellschaft haben, und das getrennt sieht von der Sphäre der Unternehmen, die, wenn sie sich an Werte halten und an die Situation anpassen, auch gezielt Chancen nutzen können und auch dort gutes Geld verdienen können. Und meine Wahrnehmung ist es auch an Kapitalmärkten, jetzt wieder als CFO gesprochen: Märkte und Investoren mögen typischerweise Risiko nicht so gerne und Überraschungen nicht so gerne. Und je mehr man Vertrauen schafft und verlässlich ist und gemäß seinen Prinzipien agiert, desto erfolgreicher ist man typisch auch.

    Rainer Münch: Finde ich eine schöne Verknüpfung von Nachhaltigkeit mit langfristiger Orientierung, Verlässlichkeit, Planbarkeit. Und ich glaube, das kann am Ende auch die gewinnende Strategie sein, um diesen Weg dann eben auch hinzubekommen. Weil kurzfristig wird es natürlich immer wieder Schwankungen geben und auch Druck geben. Ich finde es persönlich gerade so ein bisschen absurd, wenn man den Kontrast betrachtet zwischen den zunehmenden Naturereignissen und den Herausforderungen, die für die Menschheit daraus entstehen. Und parallel aber dieses Bremsen beim Thema Klimaschutz und Klimamaßnahmen. Wo die Kurzsichtigkeit so durchzuschimmern scheint.

    Florian Wieser: Ich glaube, es ist auch eine Frage der Transparenz, der Klarheit. In Unternehmen haben wir auch sehr oft Umbrüche und Wandel. Transformation bedeutet: Manche finden Wandel gut, weil die gewinnen etwas; andere: Wandel? Für die ändert sich etwas, die finden das nicht so gut. Und meine Erfahrung im Berufsleben ist es, wenn man dem Team, den Kollegen Dinge erklärt, Pläne skizziert, eine Erwartungshaltung weckt, was passieren wird und auch, was die Schritte dorthin sind, dann ist es immer viel, viel leichter, dann auch alle auf die Reise mitzunehmen und dafür auch Verständnis zu bekommen. Wenn Leute wissen: Ja, es kommt jetzt erstmal ein Dip. Wir gehen da erstmal kurzfristig durch eine schwierige Phase, aber es ist jetzt schon klar, dass dann der Schritt, der daraus resultiert, was Positives bringt und uns langfristig in eine bessere Situation, eine wettbewerbsfreundlichere oder in eine kompetitive Lage versetzt, dann habe ich mal erlebt, dass Personen dann auch oder dass das Team dann mitzieht. Was ich immer schwierig finde und das vielleicht nochmal ein Blick auf die öffentliche Debatte, wenn man es Leuten zu einfach macht, wenn man sagt: Der Staat, der kümmert sich dann schon und wir subventionieren das dann alles und das wird dann schon alles gut. Dann ist meine Wahrnehmung, dass man dann schon merkt, dass das vielleicht nicht ganz so einfach ist, dass dann alles, immer wenn es schwierig wird, der Staat hilft, sondern dass die Aufgabe, die wir vor uns haben, eine schwierige ist und wenn man die gut erklärt und dann auch klare Schritte aufzeigt, die wahrscheinlich kommen werden, dann verstehen das Menschen, allgemein gesprochen, verstehen das Menschen auch.

    Rainer Münch: Ich wollte das nur unterstützen. Ich glaube, das ist ja auch eine Erfahrung, die wir in Transformationsprojekten ganz regelmäßig machen, dass es entscheidend ist: Wie wird kommuniziert, wie wird irgendwie auch die Perspektive aufgezeigt, wie werden die Menschen mitgenommen auf dem Weg der Veränderung? Und ich glaube, da gibt es schon Defizite, wenn man sich das Management des Klimawandels vielleicht auch in der Gesellschaft anschaut. Und klar, es gab dann ein paar hölzerne Versuche auch mit Verboten. Gut, jetzt bist Du natürlich auch hier in Deiner Rolle als Group CFO von Engel & Völkers, und natürlich gibt es auch in dem Geschäftssegment moralische Fragen und Purpose vs. Profit Fragestellungen, die sich aufdrängen. Für mich steht Engel & Völkers für Luxusimmobilien, für wohlhabende Kunden, zugleich aber auch für ein Geschäftsmodell, was sehr stark auf unabhängige Makler setzt, die schauen müssen, wie sie dann an ihre Provisionen kommen in diesem Kontext. Da wirkt die Risikoverteilung recht einseitig und passt vielleicht nicht ganz zu dem von Dir auch eingangs zitierten Klosterverständnis. Wie schaust Du auf diesen vermeintlichen Widerspruch im Geschäftsmodell?

    Florian Wieser: Ja, ich gebe Dir recht, auf den ersten Blick. Ich habe mal gesagt: Man soll sich vielleicht ein bisschen unabhängig machen von äußeren Einflüssen und jetzt, wie Du gesagt hast, Engel & Völkers steht für Luxusimmobilien, steht für einen Premiumanspruch und wir pflegen die Marke. Und Engel & Völkers steht auch dafür in allem, was wir tun. Ich habe trotzdem ganz, ganz viel von meinen Wertegerüst bei Engel & Völkers gefunden und ich habe, bevor ich dann zu Engel & Völkers gekommen bin, mich damit auch auseinandergesetzt. Und ich kann vielleicht ein paar Gedanken teilen, die ich gefunden habe und die für mich relevant waren. Wenn Du jetzt in unseren Markt als Engel & Völkers guckst. Wir sind im, wir nennen das im Residential-Immobilienmarkt, das heißt private Kunden, die ihre Immobilien verkaufen oder eine Immobilie kaufen möchten. Und das sind für die meisten unserer Kunden Entscheidungen, also sehr emotionale Entscheidungen, auch wirtschaftlich sehr bedeutende Entscheidungen. Und die treffen sie in ihrem Leben typischerweise nicht so oft. Manche Menschen nur einmal, manche Menschen ein paar Mal. Und wenn Du auf den Gesamtmarkt guckst, den Markt für Immobilienmakler: Das ist insgesamt ein sehr fragmentierter Markt. Es gibt sehr, sehr viele Anbieter und es gibt insgesamt sehr wenige Standards, sehr wenig Regulierung. Und was mir bei Engel & Völkers gut gefallen hat, ist der Anspruch, den das Unternehmen hat und den wir auch versuchen und da auch wirklich sehr, sehr viel Fokus darauf legen, dem Anspruch gerecht zu werden: Professionalität und Integrität im Handeln. Unser Anspruch ist es, unsere Kunden von dem ersten Kauf- oder Verkaufsinteresse bis hin zur finalen Transaktion durchgängig zu beraten, One-Stop-Shop sozusagen, und dort eine gute, dem Kunden dienende Beratung zu liefern. Deshalb sprechen wir auch bei uns jetzt immer weniger von Immobilienmaklern, sondern wir sprechen von Advisorn, weil das ist der Anspruch, dem wir gerecht werden wollen, den wir an unsere Immobilienmakler, den wir an die Makler anlegen. Ich glaube, das ist so dieses Eine: Wie agieren wir im Markt und wie gehen wir mit Kunden um? Und vielleicht auch als konkretes Beispiel: Wir hatten jetzt vor Kurzem wieder eine größere Transaktion, ein sehr interessantes Objekt, und hätten da eine gute Courtage verdient. Das ist ja das Geschäftsmodell. Wenn eine Immobilie verkauft wird, verdienen wir an der Courtage, die bezahlt wird. Und wir hätten die Transaktion durchführen können. Aber wir hätten sie nicht guten Gewissens durchführen können, weil es war dann mittelbar nicht ganz klar, ob alle Anforderungen, die der Käufer mitbringen soll, Sanktionslisten, Screening, Geldwäsche, alles was da so bei diesen Immobilientransaktionen mitschwingt, ob dann alles wirklich auch mittelbar, nicht nur unmittelbar bei dem direkten Käufer, sondern auch mittelbar dann erfüllt ist. Und obwohl dann der Legal-Check, also dass der Rechtsbereich gesagt hat: Ja, Ihr könnt die Transaktion machen. Wir haben uns trotzdem in der Geschäftsrunde dagegen entschieden, die Transaktion zu machen, weil wir gesagt haben, das passt nicht zu uns, das passt nicht zu unseren Werten. Also Integrität und Professionalität im Auftreten und im Geschäft sind uns da wichtig und das habe ich in den Gesprächen gefunden, bevor ich zu Engel & Völkers gekommen bin und ich sehe es auch im täglichen Doing.

    Rainer Münch: Ich möchte gerne nochmal zurückkommen auf den Immobilienmakler. Und ich habe da auch ein bisschen quergelesen. Was sind da so aktuelle Perspektiven auch aus der Bevölkerung? Unter anderem bin ich da auf eine Befragung gestoßen von jungen Menschen von 18 bis 31. Da haben mehr als die Hälfte zum Ausdruck gebracht, dass sie wenig bis sehr wenig Vertrauen haben in Immobilienmakler. Natürlich, ich habe es angesprochen, gibt es da diesen Verkaufsdruck natürlich auch und diese Abhängigkeit von Courtage und den Provisionen. Glaubst Du, dass dieser Kontext es den Individuen einfach auch besonders schwierig macht, im Einklang mit ihrer Haltung die richtigen Dinge zu tun und vielleicht so eine Situation, wie Du sie jetzt für Engel & Völkers ganzheitlich geschildert hast, so zu entscheiden? Oder was glaubst Du ist da die Auflösung aus diesem Spannungsfeld?

    Florian Wieser: Ja. Zum Hintergrund, warum vielleicht auch dann solche Umfragen zustande kommen. Auch bei uns bei Engel & Völkers sind die Immobilienmakler oder die Advisor, wir sie nennen, ganz, ganz überwiegend selbstständig. Das sind unabhängige, unabhängig tätige Makler und die verdienen ihren Lebensunterhalt aus erfolgreichen Transaktionen. Das heißt so typische Sicherheitsnetze aus einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gibt es da nicht. Nehmen wir mal so einen Makler, der frisch anfängt, der sich entscheidet, ich will Immobilienmakler werden. Bei Engel & Völkers durchläuft er dann erstmal eine Ausbildung. Das heißt wir legen sehr, sehr großen Wert darauf, dass der Makler geschult wird, dass er die Mindeststandards kennt, dass er weiß wie eine Akquise funktioniert, wie ein Listing funktioniert, wie die Transaktion als solche funktioniert, was Fallstricke sind. Dann muss er erstmal seine ersten Kunden, seine ersten Objekte akquirieren, dann den jeweiligen Counterpart finden und dann, bis die Transaktion und die Courtage auf seinem Konto landet, können dann fünf bis sechs Monate vergehen. Und in all der Zeit verdient ein neuer Immobilienmakler erstmal kein Geld. Der Markt ist sehr fragmentiert, das heißt es gibt sehr, sehr viele, die sich auf dem Markt tummeln und die Standards sind nicht ausgeprägt. Dann ist natürlich schon mal vielleicht die schnelle Mark dem einen oder anderen Makler wichtiger oder lieber als dann eine nachhaltig solide und werteorientierte Geschäftspolitik. Deshalb: Ich kann das vor dem Hintergrund verstehen. Wie wir das auflösen? Unser Anspruch ist es: Wir wollen, dass jeder Advisor, dass wir ihn in die Lage versetzen, seine persönliche Erfolgsgeschichte bei Engel & Völkers zu schreiben. Das ist so das Credo, das wir haben. Und dafür arbeiten wir hart. Ich habe gerade diese Ausbildung angesprochen. Wir nennen das die Academy. Gleichzeitig sorgen wir dafür, dass unsere Advisor Leads bekommen, also Verkaufsinteressenten oder Kaufinteressenten. Es gibt viele Advisor, die sind sehr erfolgreich, die sind sehr diszipliniert, haben eine hohe Vermittlungskompetenz, sind sehr erfolgreich in dem, was sie tun. Und dann gibt es auch andere Advisor, die kriegen das nicht hin, die machen zu wenige Transaktionen und können am Ende des Tages davon nicht leben. Und wie lösen wir das auf? Wir arbeiten hart daran, jeden erfolgreich zu machen. Auf der anderen Seite ist das nicht in jedem Fall möglich. Und wir weisen auch auf die Kehrseite des Ganzen hin, auf die Kehrseite der Medaille.

    Rainer Münch: Was müsste aus Deiner Sicht passieren, damit in – ich sage jetzt mal zehn Jahren – bei so einer Umfrage herauskommt, dass 90 Prozent den Immobilienmaklern vertrauen?

    Florian Wieser: Ich glaube, die professionellen Standards müssen sich verbessern. Der Markt ist unglaublich fragmentiert. Es gibt keinen einzigen, der zweistellige Marktanteile hätte, sondern es gibt sehr, sehr viele, die das nebenbei machen, die die Standards nicht haben und ich habe Zweifel, dass wir in zehn Jahren 90 Prozent Zustimmung auf die Frage kriegen würden. Das liegt aber auch so ein bisschen in der Natur der Sache. Wenn man Immobilientransaktionen macht und dann schon einen stattlichen Kaufpreis zahlen muss und dann kommt noch die Makler-Courtage am Schluss dazu – das ist, glaube ich, schon so ein grundsätzliches Geschäftsmodell oder ein Markt, wo dann 90 Prozent Zustimmung schwierig ist. Aber was muss geschehen? Wir müssen die Standards hochhalten, wir müssen den Markt weiter professionalisieren.

    Rainer Münch: Zum Abschluss möchte ich nochmal auf die persönliche Perspektive wechseln. Ich hatte Dich ja gebeten, aus dem Buch "Fragebogen von Max Frisch" eine Lebensfrage auszuwählen. Für welche hast Du Dich denn entschieden?

    Florian Wieser: Ich habe mich für die Frage "Haben Sie Humor, wenn Sie alleine sind?” entschieden.

    Rainer Münch: Warum? Und was ist Deine Antwort?

    Florian Wieser: Bei Max Frisch da waren ja sehr, sehr viele essentielle Lebensfragen, die da auftauchen. Ich fand die Frage sehr charmant und sie passt, finde ich gut zu dem Wert, über den wir heute gesprochen haben, zum Wert der Demut. Denn ja, wenn man über sich selber lachen kann, dann nimmt man sich nicht ganz so ernst und das ist eine schöne Komponente, die zur Demut passt und deshalb fand ich die Frage schön.

    Rainer Münch: Gibt es Situationen wo Du alleine bist und laut lachen musst und laut lachst?

    Florian Wieser: Ich lache sehr gerne, auch wenn ich alleine bin. Ich kann zum Beispiel sehr herzhaft lachen, wenn ich alleine eine Folge Stromberg gucke. Da kann ich immer wirklich auch alleine herzhaft lachen. Aber klar, wenn man zusammen ist in einer größeren Gruppe, lacht es sich immer noch viel schöner. Aber ich kriege das dann doch ab und zu auch alleine hin.

    Rainer Münch: Als ich diese Fragen gesehen habe, und da gibt es halt eben auch die zum Humor, gibt es da noch eine zweite Humorfrage, die ich gerne nachschieben würde, und zwar: “Wenn Sie von einem Menschen sagen, er habe Humor, meinen Sie damit, dass er Sie zum Lachen bringt, oder dass es Ihnen gelingt, ihn zum Lachen zu bringen?”

    Florian Wieser: Ja, ich finde persönlich immer: Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Und das trifft so ein bisschen beides.

    Rainer Münch: Also Ich finde, das ist eine sehr entlarvende Frage, die eben einfach sozusagen nochmal diesen Perspektivwechsel auch forciert. Und Du hattest es ja auch angesprochen mit der Egozentrik. Bei mir zumindest hat es das ausgelöst zu sagen: Ja, das ist eigentlich gar nicht so einfach, die Antwort auf die Frage, weil man natürlich finde ich dieses "ein Mensch ist humorvoll" damit verbindet, dass man viel zusammen lacht. Ja, und dann gar nicht unbedingt darüber nachdenkt, ob die Person über einen lacht oder eben einen zum Lachen bringt. Aber ich finde Deine Antwort auch da treffend. Am Ende geht es um das gemeinsame Lachen und um das gemeinsame, ich sage jetzt mal, fröhlich sein. Und eben nicht so sehr darum, wo die Quelle liegt.

    Florian Wieser: Ja, das hast Du mal schön gesagt. Also die erste Frage, die durfte ich mir ja aussuchen. Die zweite kam jetzt spontan. Aber ich glaube der Aspekt, den Du gerade gesagt hast, der ist sehr schön, weil es darf am Ende gar nicht darum gehen, dass man jemanden bewusst zum Lachen bringen muss, sondern es geht um das Lachen selbst, und den Spaß an der Freude an sich. Und Du hast das gerade, ich kann es gar nicht, ich verschlimmbessere es nur, Du hast das gerade sehr schön gesagt.

    Rainer Münch: Dann haben wir doch einen schönen Abschluss, indem wir über das Lachen und das gemeinsame Lachen sprechen. Lieber Florian, herzlichen Dank für das Gespräch. Es war mir eine große Freude. Ich hoffe, Dir auch.

     

    Florian Wieser: Vielen Dank. Es hat sehr viel Spaß gemacht. Und nochmals vielen herzlichen Dank für die Einladung.

     

    Florian Wieser ist CFO von Engel & Völkers. Beim Thema Werte ist er sehr klar: Demut würde uns allen zurzeit sehr guttun. Er beschreibt in der aktuellen Folge, wie ihn bereits seit seiner Schulzeit die Bescheidenheit der Benediktiner nachhaltig geprägt und beeindruckt hat. Das Gespräch widmet sich Themen wie Konsumstreben, zunehmender Polarisierung und verstärkter Egozentrik in der Gesellschaft aber auch der zunehmenden Selbstpositionierung von Führungskräften auf LinkedIn, die an vielen Stellen kein Paradebeispiel für Demut ist. Er erklärt, warum man manchmal eine „geistige Kniebeuge“ machen sollte, wenn wichtige Entscheidungen im Berufsalltag anstehen. Und er beschreibt ausführlich die Arbeit von Immobilienmaklern in der Praxis.

    Das Gespräch wurde aufgezeichnet im Juni 2024.

    Den Podcast gibt es hier: Apple Podcasts | Spotify | YouTube

    Rainer Münch: Heute ist Florian Wieser zu Gast. Er hat seine Berufskarriere in der Unternehmensberatung begonnen, bevor es 2011 zur Metro Group ging und von dort zu MediaMarktSaturn. Dort stieg er schnell zum CFO von Italien, von Deutschland und schließlich der gesamten AG auf. Vor etwa einem Jahr war es dann Zeit für einen Tapetenwechsel und er übernahm die Rolle des Global CFO bei Engel & Völkers. Daneben ist Florian ein leidenschaftlicher Tennisspieler und lebt mit seiner Frau in München. Lieber Florian, ich freue mich sehr, dass Du heute im Podcast Purpose vs. Profit bei mir zu Gast bist.

    Florian Wieser: Ja, vielen Dank, Rainer. Herzlichen Dank für die Einladung. Ich freue mich sehr, heute hier zu sein. Spannendes Thema und deshalb habe ich die Einladung auch sehr gerne angenommen.

    Rainer Münch: Du hattest in unserem Vorgespräch schon angedeutet, dass das Thema Wertorientierung bei Dir irgendwie auch schon eine frühe Prägung war. Vielleicht kannst Du das nochmal so ein bisschen schildern, wo Du herkommst und wie Du aufgewachsen bist.

    Florian Wieser: Ich sage gerne ein paar Worte noch zu mir und auch zur Einordnung. Und ich glaube, das hilft dann auch ein bisschen, warum mir das Thema gut gefallen hat. Also ich bin in Augsburg aufgewachsen, zusammen mit zwei Geschwistern, zwei Brüdern, ich war der mittlere von uns dreien. Und ich habe meine Schulzeit auf einer benediktinischen Klosterschule verbracht und habe da so den klassischen Kanon durchlaufen, also war auf dem humanistischen Zweig, habe mit Latein angefangen. Dann kam Altgriechisch dazu und ich habe dann auch später die Leistungskurse bewusst in dem humanistischen Zweig gesucht und habe Altgriechisch und Deutsch als Leistungskurse gewählt und mich dann dort spezialisiert. Und wie Du Dir vorstellen kannst, humanistischer Zweig, da spielen dann Werte und das Korsett eine große Rolle.

    Rainer Münch: Würdest Du sagen, dass diese Klosterschule irgendwie Dich auch besonders geprägt hat? Oder war es dann eher das Umfeld, oder waren es eher die Inhalte, um die es da ging in der Prägung?

    Florian Wieser: Es war beides. Also neben den Inhalten, die natürlich klar eine große Rolle spielen, dann auch die Umgebung der Klosterschule, die Mönche, die schon ihren Lebensinhalt dann auch in der Ausbildung, in der Erziehung der Kinder sehen und sehr engagiert waren. Es gab sehr viele Angebote neben der Schule: ein Orchester, Reisen, besondere Angebote neben dem eigentlichen Schulkanon im Kloster. Einfach eine enge Verbindung. Und das war schon ein besonderes Umfeld. Und gleichzeitig auch meine Familie, meine Eltern natürlich haben mich auch stark geprägt.

    Rainer Münch: Und gab es da sozusagen im Klosterleben, wie Du das so erlebt hast in der Schulzeit bei den Mönchen irgendwas, was Dich vielleicht auch noch mal inspiriert hat? Wie gelebt wird? Wie miteinander umgegangen wird?

    Florian Wieser: Die Benediktiner, die leben ja sehr stark nach der Benediktsregel. Und was mich an deren Leben, also es ist ja zum einen schon auch ein hartes Leben, denn die benediktinischen Mönche leben sehr eigen. Das heißt Schweigen ist ein wichtiger Bestandteil. Beten ist ein großer Bestandteil. Das heißt das gemeinsame Zusammenleben spielt eine kleinere Rolle als jetzt in einem typischen Zusammenleben, so wie wir es vielleicht jetzt gewohnt sind. Was mir sehr gut gefallen hat und was mich auch nachhaltig geprägt und beeindruckt hat, ist die Bescheidenheit der Benediktiner, dass man sich nach der Benediktsregel unabhängig machen soll von externen Einflüssen, von Streben nach Konsum von externen Gütern und dass die Freude im Kleinen, das bewusste Wahrnehmen, das Genießen von Momenten, das bewusste Genießen von Momenten, eine große Rolle spielt.

    Rainer Münch: Und damit sind wir natürlich schon mittendrin, auch in den Themenblöcken, die ich mit Dir vertiefen möchte. Einmal Deine Werte, zum zweiten dann auch ein Gegenstand, den Du mitgebracht hast. Ich sehe ihn schon. Da kommen wir gleich nochmal darauf zurück. Aber auch eine moralische Frage, was Deine Tätigkeit angeht, Deine Berufstätigkeit. Und dann hast Du Dir eine der Lebensfragen von Max Frisch ausgesucht, die wir vertiefen möchten. Wenn ich zurückkomme auf das Thema Werte: Wie würdest Du Deine persönlichen Werte beschreiben? Was ist denn ein besonders wichtiger Wert für Dich?

    Florian Wieser: Ja, als ich die Frage von Dir auch zur Vorbereitung mitbekommen habe, habe ich einerseits natürlich über meinen Wertekanon nachgedacht und auch was jetzt im Zusammenhang mit Purpose vs. Profit von Bedeutung ist. Und ich würde ganz gerne über einen Wert sprechen, der für mich schon immer auch für meine Prägung, über die wir gesprochen haben, wichtig ist. Es wäre schön, wenn dieser Wert in der aktuellen Zeit mehr an Bedeutung gewinnen würde. Ich nehme die aktuelle Zeit wahr, dass wir immer mehr nach Konsum streben, dass wir mehr und mehr Polarisierung erleben in vielen Bereichen. Und ich nehme auch wahr, dass es eine verstärkte Egozentrik gibt, sich selbst darzustellen. Das sind so vielleicht drei Punkte, die ich wahrnehme. Und ein Wert, der mir sehr wichtig ist und der dem entgegensteht, ist Demut. Demut ist für mich persönlich ein sehr wichtiger Wert. Und gerade in dieser aktuellen Zeit, in dieser Situation mit diesen Tendenzen, die ich beschrieben habe, würde Demut aus meiner Sicht uns allen guttun.

    Um das vielleicht ein bisschen besser einzuordnen: Viele sagen ja Demut, oh, das klingt nicht gut. Das ist nicht für sich selber einzustehen, sich selber klein machen. Oder dann steckt Demut ja auch im Wort Demütigung drin. Und all das meine ich nicht. Das ist genau nicht die Interpretation von Demut, die ich im Sinn habe. Sondern ich verbinde mit Demut verschiedene Facetten. Über die eine haben wir gerade gesprochen: benediktinisches Leben, bewusste Wahrnehmung von Dingen. Andere Elemente von Demut, die mir wichtig sind, ist zum einen im altgriechischen Unterricht. Wir haben eingangs darüber gesprochen. Da habe ich auch meine Ausbildung genossen sozusagen. Die Griechen sprechen von Mēdén ágan. Das heißt auf Deutsch "nichts im Übermaß". Und die Griechen haben damit auch eine bestimmte Art von Bescheidenheit damit verbunden. Und die meinen damit: Man soll sich selber nicht so ernst nehmen, sondern man soll auch erkennen, wo andere Personen Stärken haben. Und wo andere Personen vielleicht Dinge besser können als man selbst. Und das heißt jetzt wiederum nicht, dass man nicht für sich selbst einsteht. Sondern unter dem Verständnis von Demut kann man schon sehr wohl, es ist sogar explizit gewünscht, dass man seine eigenen Stärken kennt. Dass man eine gesunde Portion Selbstbewusstsein hat. Weil nur ein auch demütiger, selbstbewusster Mensch, der erkennt dann die Stärken bei anderen, der hat es nicht nötig, sich auf Kosten anderer zu profilieren. Und wenn wir jetzt vielleicht auf die Unternehmensebene gucken: Der schafft es dann auch ein gutes Team zusammenzustellen. Und dann bewusst schwarze Flecken, die es dann hier und da gibt, was die Fähigkeiten des Teams oder die eigenen Fähigkeiten anbelangt, bewusst zu schließen.

    Rainer Münch: Ich finde das spannend, wie Du da auch Demut einordnest und abgrenzt von Demütigung und diesem Negativen, und eben dieses Positive darin siehst. Was es auch für einen Beitrag hat, dann im beruflichen Kontext. Wie passt das für Dich zusammen mit durchaus ja positiven Dingen wie mehr Emotion, Spontanität, Lebensfreude? Was ja vielleicht im ersten Moment so einen Gegensatz bilden könnte zu diesem Thema Disziplin und Selbstbeherrschung, was ja auch mit Demut verbunden wird.

    Florian Wieser: Genau. Du hast gerade mal zwei Punkte genannt, die aus meiner Sicht auch sehr wichtig sind. Du hast gerade gesagt Disziplin. Ja, ich glaube, es ist gerade auch im unternehmerischen Umfeld sehr, sehr wichtig, dass man sich sorgfältig mit Dingen auseinandersetzt, auch wenn Dinge vielleicht auf den ersten Blick leicht erscheinen und man die nebenbei macht. Mir ist es sehr, sehr wichtig, tatsächlich auch im beruflichen Umfeld sich sehr akkurat, akribisch, sorgfältig mit Dingen auseinanderzusetzen und sich darauf vorzubereiten. Und zum anderen, dann kommen wir vielleicht schon auf das Thema: Wie passt das zusammen mit Heiterkeit? Du hast Selbstbeherrschung genannt, Rainer. Ich persönlich, ich mag es im beruflichen Umfeld nicht so gerne, wenn Leute ihren Launen freien Lauf lassen. Wir alle haben ja unsere guten Tage und unsere schlechten Tage. Und dafür können aber die Mitarbeiter oder die Kollegen dann im beruflichen Umfeld nichts. Und deshalb verbinde ich mit Demut auch die Eigenschaft, nicht jähzornig zu sein, aber auch nicht zornlos zu sein, sondern schon auch seine Emotionen dann zu zeigen, aber eben kontrolliert und so, dass die Kollegen, Mitarbeiter immer möglichst die beste Version eines selbst dann jeden Tag um sich haben. Und ja: Wie passt das zur Heiterkeit? Ich bin überzeugt und ich versuche das auch für mich selbst: Jemand, der mit sich im Reinen ist, der zufrieden ist, der – um noch einmal auf die Benediktsregel zu sprechen zu kommen – Dinge bewusst wahrnimmt, sich gar nicht so sehr abhängig macht von aktuellen Trends, von äußeren Einflüssen, sondern der in der Lage ist, bewusst zu genießen, bewusst wahrzunehmen und auch sich an kleinen Dingen zu erfreuen, und das jeden Tag, der ist dann ein glücklicher Mensch und ist zufrieden und freut sich dann über schöne Dinge, die hoffentlich ganz, ganz viel und ganz, ganz oft kommen, umso mehr.

    Rainer Münch: Wenn Du Achtsamkeit ansprichst, dann muss ich auch an die Frage denken: Nimmst Du Dir Zeit für Dich? Ist es das, was für Dich auch eine Priorität hat, eben in der Achtsamkeit?

    Florian Wieser: Ja. Ich würde sagen, ich werde besser darin, Zeit für mich selbst zu nehmen. Als ich angefangen habe zu arbeiten – und Du hast ja ein bisschen erzählt über meine verschiedenen Stationen – das waren alle Stationen, wo dann auch viel Einsatz gefordert wird und das war auch ein sehr kompetitives Umfeld. Unternehmensberatung, das weißt Du besser als ich. Im Handel, wo ich gearbeitet habe: ein sehr wettbewerbsintensives Umfeld, wo sehr viel Einsatz und sehr viel Engagement nötig sind. Als ich jünger war und gerade in den ersten Berufsjahren habe ich das zu wenig gemacht. Und jetzt gerade durch den Tapetenwechsel vom Handel in den anderen Sektor habe ich das nochmal jetzt bewusster gelernt, auch vielleicht eine gewisse emotionale Distanz zu Themen, eine gesunde emotionale Distanz zu Themen zu gewinnen, und sich dann bewusst Zeit zu nehmen, um dann die Zeit, die man wieder dann bewusst arbeitet, auch dann besser, effizienter, zufriedener und insgesamt besser zu sein. Ich glaube, das trifft es dann einfach.

    Rainer Münch: Jetzt möchte ich noch mal kurz zurückspringen zu einem Aspekt, den Du eben auch genannt hast, nämlich das Thema Selbstbeherrschung und Emotionen und auch negative Emotionen. Jähzorn hast Du genannt. Dass Du es eben nicht gut findest, wenn Mitarbeiter und Führungskräfte das ausleben. Wie geht man denn damit gut um, wenn es bei anderen der Fall ist? Hattest Du da schon Situationen, wo Du entweder als Betroffener oder als Vorgesetzter dann eben auch so eine Situation erlebt hast? Und wie hast Du die aufgelöst? Und würdest Du das in Zukunft vielleicht anders machen?

    Florian Wieser: Das ist keine einfache Frage und da gibt es sicher auch kein Patentrezept. Ich habe das selber oft erlebt. Klar, gerade in Drucksituationen, wenn es gerade mal eine herausfordernde Lage gibt, in schwierigen Situationen dann zwischen vielleicht zwei nicht optimalen Optionen entschieden werden muss, und der Druck steigt, dann kommt es dann oft oder in vielen Situationen dazu. Wenn ich auf die verschiedenen Ebenen gucke in meinem Team, bei meinen Mitarbeitern, wenn soetwas passiert: Ich spreche das an. Man kann das nicht verhindern. Wir sind alle Menschen und das ist völlig normal, dass das immer wieder passiert. Niemand ist perfekt. Aber ich spreche das aktiv an und mir ist das ganz, ganz wichtig, dass in meinem Team besonders, wo wir eng zusammenarbeiten, dass dieser Grundsatz Selbstbeherrschung, wir versuchen alle gut miteinander umzugehen, dass wir das gut beherrschen und wenn es mal nicht klappt, sprechen wir es an. In Führungsgremien, wenn wir zusammen in der Geschäftsführung sitzen, klar, passiert das dann auch mal und wir pflegen da auch einen offenen Austausch. Also wir sprechen, wir gehen direkt miteinander um, immer wertschätzend, immer achtsam. Den Begriff hast du ja benutzt, der passt auch aus meiner Sicht gut dazu, und wir versuchen uns dann wieder selbst zu regulieren. Ich glaube, das ist tägliche Übung und man muss immer darauf achten, wenn sich mal etwas einschleift, dass man es dann wieder rechtzeitig behebt. Und wenn die Beziehungen an sich und das Vertrauen zueinander grundsätzlich intakt sind, dann funktioniert das auch gut. Wenn das Vertrauen zwischen zwei Personen oder einer Gruppe grundsätzlich nicht da ist, dann fällt auch die Selbstregulierung schwieriger.

    Rainer Münch: Was ich immer in diesen Situationen versuche, ist vor allem auch genügend Raum zu geben und sozusagen auch in mehrerer Hinsicht zu verhindern, dass sich da etwas aufschaukelt. Und durch eine starke Gegen-Emotion oder Gegen-Reaktion wird es ja häufig alles nur noch schlimmer. Und dann dem Raum zu geben, Abstand zu nehmen, vielleicht auch den Raum zu wechseln oder diese berühmte Nacht drüber zu schlafen, auch je nachdem wie emotional es wird, finde ich, ist es ganz wichtig, um da einfach irgendwie auch eine gewisse Erdung reinzukriegen.

    Florian Wieser: Ich muss gerade schmunzeln, wo Du sagst "eine Nacht drüber schlafen”, weil einer meiner ersten CEOs, mit denen ich gearbeitet hatte, das war damals bei MediaMarktSaturn in der deutschen Landesgesellschaft, der hat immer zu mir gesagt: "Herr Wieser, jetzt nehmen wir uns nochmal eine geistige Kniebeuge und kommen dann morgen nochmal zusammen und entscheiden das dann." Und dieses Bild der geistigen Kniebeuge, das fand ich immer schön. Das habe ich mir beibehalten und habe ich auch immer so im Auge, wenn ich eine wichtige Entscheidung treffe, auch mit Leuten aus meinem Team, oder die über die Beförderung nachdenken oder über einen Schritt ins Ausland oder über irgendetwas. Ich sage dann immer: "Denkt noch einmal darüber nach. Packt alles zusammen. Macht die geistige Kniebeuge und dann entscheiden wir das."

    Rainer Münch: Ein schönes Bild, ja. Und wenn wir bei einem schönen Bild sind, wandert mein Auge zu Dir herüber. Ich sehe einen Stift, einen Füllfederhalter, den Du mitgebracht hast: blau. So ähnlich sehe ich ihn auch bei meinen Kindern auf den Schreibtischen. Und vielleicht kannst Du mal erzählen, was Du dabei hast und was Du damit verbindest.

    Florian Wieser: Ich habe meinen Lamy-Füller mitgebracht. Deshalb kann ich mir gut vorstellen, dass Deine Kinder auch den einen oder anderen Lamy-Füller auf ihren Schreibtischen haben. Ich habe meinen Lamy-Füllfederhalter in der fünften Klasse geschenkt bekommen, als ich auf’s Gymnasium gewechselt bin und habe mit dem Füller sehr, sehr viele Schulaufgaben, sehr, sehr viele Klausuren dann im Studium geschrieben, und habe den eigentlich seit der fünften Klasse immer bei mir. Der ist auch mittlerweile ein bisschen in die Jahre gekommen. Er ist über 30 Jahre alt, hat die ein oder andere Schramme, funktioniert aber immer noch gut. Und auch heute, wenn ich einen wichtigen Vertrag unterschreibe, zum Beispiel einen neuen Arbeitsvertrag oder Sonstiges, dann mache ich das bis heute ganz gern mit dem Füller.

    Rainer Münch: Gibt es Geschichten, Erlebnisse, die Du damit verbindest?

    Florian Wieser: Jeder erinnert sich an die Abi-Klausuren oder an eine wichtige Schulaufgabe oder sonstige Dinge. Deshalb: Ja, ich habe viele Erinnerungen, aber jetzt nicht irgendetwas, wo ich sage, da hat der Füller irgendetwas Besonderes gemacht, sondern der war einfach beständig über die Jahre mein treuer Begleiter und ich habe mit dem ja viele wichtige Dinge geschrieben. Ich hoffe wichtige. Da hat auf jeden Fall bisher so alles ganz gut geklappt. Ich habe alles, was ich gelernt habe und was mich geprägt hat, habe ich dann nochmal aufgeschrieben in Aufsätzen, in den Schulaufgaben, über die wir gesprochen haben. Und deshalb: Wenn ich den in der Hand habe, erinnert er mich so ein bisschen daran, was ich gelernt habe, welchen Weg ich gelaufen bin. Und ja, es ist immer so eine Erinnerung daran. Und wenn man dann was unterschreibt, wenn man unterschreibt, auf die Hand guckt, der Füller liegt dann in der Hand, denkt man nochmal: Ist das alles richtig? Passt das dazu? Ist alles im Einklang mit seinen eigenen Vorstellungen, Werten, Prioritäten? Und deshalb habe ich ihn dabei.

    Rainer Münch: Ich glaube, es gibt ja auch berufliche Stationen oder Erfahrungen, die Du damit verbindest.

    Florian Wieser: Bevor ich angefangen habe zu studieren, war eine der Voraussetzungen, dass man ein Praktikum in einem Unternehmen absolviert hat. Und ich habe mein Praktikum damals direkt nach dem Abitur in einer Volksbank Raiffeisenbank absolviert. Das war im Jahr 2002. Und da kam ich in den Bereich Zahlungsverkehr. Und das darf man sich nicht so vorstellen im Jahr 2002 in einer Volksbank Raiffeisenbank, wie das heute der Fall ist: alles digitalisiert, alles mit Online-Banking. Sondern damals in dieser Filiale, in einer ländlichen Filiale, da war noch alles manuell. Das heißt die Kunden haben in großer Vielzahl händisch ausgefüllte Überweisungsträger eingeworfen. Und die Abteilung, da saßen zwei Damen in dieser Abteilung Zahlungsverkehr, die haben erstmal diese Überweisungsträger gescannt und an einen Scan-Dienstleister geschickt, der die dann ausgewertet hat und das Gesamtergebnis immer von 100 Überweisungsträgern aufaddiert zurückgeschickt hat. Da gab es dann die Scan-Bilder und die Gesamtsumme dieser 100 Überweisungsträger. Und weil man sich ja nicht sicher war, dass die damals noch nicht ausreichend guten Maschinen das sauber ausgelesen haben, haben die Damen Tag ein und Tag aus die 100 Überweisungsträger mit einem Taschenrechner aufaddiert. Also, man kann sich das nicht vorstellen: stapelweise jeden Tag diese Überweisungsträger, die die immer mit einem Taschenrechner manuell nachgetippt haben. Und wenn dann das Ergebnis des Scan-Dienstleisters mit dem händisch nachgerechten Ergebnis in Einklang war, dann war es in Ordnung und dann wurde es verbucht. Und ich war dann den ersten Tag da, war noch gewohnt: hier humanistische Klosterschule, Griechisch und sonst irgendetwas – und dann saß ich da und dann haben die gesagt: “Hier darfst Du anfangen.” Und da habe ich angefangen, diese Überweisungsträger aufzutippen. Und schon nach wenigen Stunden, das ist ja wirklich eine monotone Arbeit, hat mich das wahnsinnig gemacht. Und das war wirklich herausfordernd.

    Und die beiden Damen, die da saßen in der Abteilung, die das mit mir gemacht haben, die waren schon seit vielen Jahren da. Und die haben das mit einer Begeisterung, ja also Begeisterung ist vielleicht ein bisschen viel, aber mit einer Hingabe und Zufriedenheit gemacht und haben sich immer wieder gegenseitig Spielchen ausgedacht. Wer macht irgendwie einen Haufen Holz am schnellsten? Wer schafft die meisten Hunderter-Blocks ohne Fehler? Und haben sich dann gegenseitig immer wieder so spielerisch herausgefordert und waren wirklich in ihrer Tätigkeit glücklich und zufrieden. Und als ich dann abends nach Hause kam: Mich hat das wirklich zutiefst beeindruckt, weil das ist Demut, über was wir gesprochen haben, par excellence. Die haben die Aufgaben mit Disziplin, mit Akribie, mit Sorgfalt ausgefüllt, haben sich an kleinen Dingen gefreut und haben jeden Tag einen glücklichen, zufriedenen Arbeitsalltag gehabt. Das finde ich bis heute sehr, sehr bewundernswert und ich erzähle die Geschichte auch gerne. Ich hoffe, das hört man heraus. Und das hat mich damals schwer beeindruckt und ist mir bis heute ein Vorbild. Auch wenn man in seinem täglichen Tun Dinge hat, die einem vielleicht mal keinen Spaß machen, die dann nicht so abwechslungsreich sind. Es gibt eben viele Dinge, die gehören dazu. Und wenn man dann arbeitet, ist auch der Anspruch, den ich an mich selber stelle, und auch an diejenigen, die in meinem Team mit mir arbeiten, dass wir die Dinge, die wir dann tun, gut machen, akribisch und sorgfältig machen. Und das muss, finde ich, der Anspruch sein.

    Rainer Münch: Was ich mir dabei gedacht habe, als Du das erzählt hast: Es ist natürlich auch eine schöne Reflektion der Vielfalt, die sich uns heute bietet und meinen Kindern bietet bei der Berufswahl und in der Arbeitswelt. Und dass es eben ganz viele unterschiedliche Möglichkeiten gibt. Und am Ende geht es ja auch darum, dass jemand etwas findet, was einen zufrieden macht und wo man eben auch dann nicht vielleicht jeden Tag, aber häufig gerne zur Arbeit geht und da irgendwo auch eine gewisse Befriedigung findet. Und das ist schon auch, wenn man so zurückblickt in der Geschichte, natürlich eine große Errungenschaft, wo wir da heute stehen und welche Möglichkeiten es gibt und wie man sich einen Platz suchen kann in der Arbeitswelt, der einen dann eben auch glücklich macht.

    Florian Wieser: Ja, da stimme ich Dir voll und ganz zu.

    Rainer Münch: Mein Großvater war Müller, hatte eine Mühle und hatte drei Söhne, einer davon mein Vater. Und der Älteste, der musste dann die Mühle übernehmen. Der musste eine Müllerlehre machen, musste Müller werden und der wollte das auf gar keinen Fall. Aber es gab da eben keine Alternative dazu. Und dann hat ihn sozusagen die Natur aus der Situation befreit und er hat eine Mehlallergie entwickelt, was sich natürlich mit dem Müller-Dasein nicht vereinbaren lässt. Und da hat dann eben auch der Großvater, sein Vater, eingesehen, dass es nicht sein soll und er hat ihn dann sozusagen aus dieser Pflicht entlassen. Und er wurde dann ein sehr erfolgreicher Unternehmer. Und er ist, glaube ich, bis heute dankbar, dass es diese Allergie dann auch gab. Und dann hat mein anderer Onkel dann übernommen und es ist dann auch alles gut gegangen und er war glücklich in der Rolle. Jetzt sind wir so ein bisschen in die Arbeitswelt eingetaucht. Wollen wir nochmal zurückspringen auf die Kapitalperspektive? Und das Thema Purpose vs. Profit hat natürlich auch eine Shareholder-Komponente, ganz stark. Was ist da Deine Sicht? Wie blicken die Shareholder heutzutage auf Themen wie Demut in der Arbeitswelt, also in der Geschäftswelt und in der Unternehmensführung?

    Florian Wieser: Das ist auch eine schwierige Frage, wie sie auf Demut gucken. Es gibt da, ich glaube auch hier verschiedene Trends, die ich beobachte. Wenn man heute Portale aufmacht wie LinkedIn, nehme ich wahr, dass es sehr viele Führungskräfte gibt, die diese Medien auch sehr stark nutzen, um sich selbst zu positionieren. Und das ist dann vielleicht nicht so das Paradebeispiel für Demut. Dann gibt es aber auch viele, viele Beispiele von Unternehmen oder auch am Kapitalmarkt, wo man bewusst auf Werte setzt und wo Werte auch eine wichtige Rolle spielen. Also wir erleben momentan die ganzen Debatten um ESG. Das ist für alle Unternehmen einmal regulatorisch, aber auch viele Unternehmen sehen große Geschäftschancen darin. Das heißt die Verbindung mit Werten sehe ich auch, dass das klar an Bedeutung gewinnt. Viele Fonds investieren gar nicht mehr in Unternehmen, wenn bestimmte Voraussetzungen, bestimmte Werte, bestimmte Vorgaben nicht erfüllt sind. Das heißt ich nehme auch wahr, dass es dorthin doch einen starken Trend gibt, dass sowas an Bedeutung gewinnt und wenn man es nicht erfüllt, in der Negativabgrenzung dann sogar ein K.O.-Kriterium für Investitionen am Kapitalmarkt darstellt.

    Wenn man auf Finanzierung guckt, ich bin ja selber CFO, seit einigen Jahren gibt es auch Finanzierungsinstrumente, die an Werte gekoppelt sind. Es gibt zum Beispiel Green Bonds, das heißt wenn man bestimmte Kriterien erfüllt, dann kriegt man sogar Vorteile bei der Finanzierung, also kriegt tatsächlich günstigere Konditionen. Das heißt also auch hier tatsächlich dann, wenn es wirklich um Renditen geht, dann beobachte ich, dass die Themen mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Das heißt Werte und Wertegetriebenheit aus meiner Perspektive gewinnt an Bedeutung und wenn man erfolgreich agieren möchte, ist das eine Conditio sine qua non. Wie sich das mit der Demut jetzt, das ist so das andere, was wir anfangs noch kurz gestreift haben, da gibt es glaube ich verschiedene Schattierungen, da fällt es mir jetzt schwer zu sagen. Ich persönlich, deshalb habe ich das Thema ja auch heute angesprochen, ich glaube, das ist ein Wert, der uns guttun würde, wenn wir ihn stärken würden. Ich persönlich sehe, dass dieses Thema: Egozentrik hatten wir genannt, Konsum hatten wir genannt, Polarisierung hatten wir ganz am Anfang angesprochen, dass die vielleicht aktuell zu stark sind, und dass so ein gesundes Gegengewicht, so eine gesunde Balance aus Demut und einer gesunden Portion dann auch an Außendarstellung, dass die vielleicht, dass das vielleicht das Richtige wäre.

    Rainer Münch: Was mich da beschäftigt von dem, was Du auch gesagt hast, ist dass diese Polarisierung, einerseits Egozentrik, andererseits und noch weitere Dinge in Kombination mit dem aktuellen wirtschaftlichen, politischen Umfeld ja zu einer Entwicklung führen, wo man den Eindruck gewinnt, Nachhaltigkeit verliert an Bedeutung. Es gibt auch erste Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeitsziele reduzieren, auch auf Druck der Shareholder, weil natürlich in einem Umfeld, was wirtschaftlich nicht mehr so stabil ist und nicht mehr so viel Wachstum organisch erstmal bringt, vielleicht auch dann doch sozusagen der Cent nochmal zweimal umgedreht werden muss. Und auch jetzt, wenn man sieht: das Europaparlament und wie sich da die Zusammensetzung verschiebt und damit auch die Prioritäten verschieben, dann ist schon für mich auch eine Frage, ob wir da noch die gleiche Aktivität sehen werden, was Nachhaltigkeit und Klimaschutz etc. angeht wie in der letzten Legislaturperiode. Ist das auch etwas, was Dich beschäftigt oder bist Du da Optimist und sagst, das kommt alles wieder zurück in Kürze?

    Florian Wieser: Nein. Ich finde die aktuellen Entwicklungen, wie viele auch, sehr besorgniserregend. Man darf das aus meiner Sicht auch nicht unterschätzen. Du hast Klimaschutz angesprochen, das sind sicher Themen, die, wenn man jetzt mit dem Klimawandel und unsere Anpassung daran, wenn man damit umgeht, das wird es nicht umsonst geben und es wird große Investitionen bedürfen. Wir können nicht so weitermachen wie in den letzten Jahren. Und Änderungen bedeutet für viele, dass sie auch gegebenenfalls verlieren, was sie bisher hatten. Insofern sind das schwierige und herausfordernde Bedingungen, die wir dort haben. Ich persönlich würde es aber unterscheiden. Wenn wir jetzt diskutieren: Was ist das Politische? Was sind staatliche Aufgaben? Was sind öffentliche Güter? Und was ist der Unternehmenskontext? Und ich bin sehr überzeugt davon, dass man, wenn man nachhaltig agiert, wenn man sich an Prinzipien hält, dass dies auch sehr, sehr viele Chancen bietet, auch in den neuen Märkten, in den neuen Geschäftsfeldern, die sich auftun, dort ganz bewusst auch Geld zu verdienen. Und das ist auch im Unternehmenskontext nichts Schlechtes. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass man diese beiden Sphären unterscheidet: Zum einen die politische, die öffentliche Debatte und dann auch die gesamte Aufgabe, die wir als Gesellschaft haben, und das getrennt sieht von der Sphäre der Unternehmen, die, wenn sie sich an Werte halten und an die Situation anpassen, auch gezielt Chancen nutzen können und auch dort gutes Geld verdienen können. Und meine Wahrnehmung ist es auch an Kapitalmärkten, jetzt wieder als CFO gesprochen: Märkte und Investoren mögen typischerweise Risiko nicht so gerne und Überraschungen nicht so gerne. Und je mehr man Vertrauen schafft und verlässlich ist und gemäß seinen Prinzipien agiert, desto erfolgreicher ist man typisch auch.

    Rainer Münch: Finde ich eine schöne Verknüpfung von Nachhaltigkeit mit langfristiger Orientierung, Verlässlichkeit, Planbarkeit. Und ich glaube, das kann am Ende auch die gewinnende Strategie sein, um diesen Weg dann eben auch hinzubekommen. Weil kurzfristig wird es natürlich immer wieder Schwankungen geben und auch Druck geben. Ich finde es persönlich gerade so ein bisschen absurd, wenn man den Kontrast betrachtet zwischen den zunehmenden Naturereignissen und den Herausforderungen, die für die Menschheit daraus entstehen. Und parallel aber dieses Bremsen beim Thema Klimaschutz und Klimamaßnahmen. Wo die Kurzsichtigkeit so durchzuschimmern scheint.

    Florian Wieser: Ich glaube, es ist auch eine Frage der Transparenz, der Klarheit. In Unternehmen haben wir auch sehr oft Umbrüche und Wandel. Transformation bedeutet: Manche finden Wandel gut, weil die gewinnen etwas; andere: Wandel? Für die ändert sich etwas, die finden das nicht so gut. Und meine Erfahrung im Berufsleben ist es, wenn man dem Team, den Kollegen Dinge erklärt, Pläne skizziert, eine Erwartungshaltung weckt, was passieren wird und auch, was die Schritte dorthin sind, dann ist es immer viel, viel leichter, dann auch alle auf die Reise mitzunehmen und dafür auch Verständnis zu bekommen. Wenn Leute wissen: Ja, es kommt jetzt erstmal ein Dip. Wir gehen da erstmal kurzfristig durch eine schwierige Phase, aber es ist jetzt schon klar, dass dann der Schritt, der daraus resultiert, was Positives bringt und uns langfristig in eine bessere Situation, eine wettbewerbsfreundlichere oder in eine kompetitive Lage versetzt, dann habe ich mal erlebt, dass Personen dann auch oder dass das Team dann mitzieht. Was ich immer schwierig finde und das vielleicht nochmal ein Blick auf die öffentliche Debatte, wenn man es Leuten zu einfach macht, wenn man sagt: Der Staat, der kümmert sich dann schon und wir subventionieren das dann alles und das wird dann schon alles gut. Dann ist meine Wahrnehmung, dass man dann schon merkt, dass das vielleicht nicht ganz so einfach ist, dass dann alles, immer wenn es schwierig wird, der Staat hilft, sondern dass die Aufgabe, die wir vor uns haben, eine schwierige ist und wenn man die gut erklärt und dann auch klare Schritte aufzeigt, die wahrscheinlich kommen werden, dann verstehen das Menschen, allgemein gesprochen, verstehen das Menschen auch.

    Rainer Münch: Ich wollte das nur unterstützen. Ich glaube, das ist ja auch eine Erfahrung, die wir in Transformationsprojekten ganz regelmäßig machen, dass es entscheidend ist: Wie wird kommuniziert, wie wird irgendwie auch die Perspektive aufgezeigt, wie werden die Menschen mitgenommen auf dem Weg der Veränderung? Und ich glaube, da gibt es schon Defizite, wenn man sich das Management des Klimawandels vielleicht auch in der Gesellschaft anschaut. Und klar, es gab dann ein paar hölzerne Versuche auch mit Verboten. Gut, jetzt bist Du natürlich auch hier in Deiner Rolle als Group CFO von Engel & Völkers, und natürlich gibt es auch in dem Geschäftssegment moralische Fragen und Purpose vs. Profit Fragestellungen, die sich aufdrängen. Für mich steht Engel & Völkers für Luxusimmobilien, für wohlhabende Kunden, zugleich aber auch für ein Geschäftsmodell, was sehr stark auf unabhängige Makler setzt, die schauen müssen, wie sie dann an ihre Provisionen kommen in diesem Kontext. Da wirkt die Risikoverteilung recht einseitig und passt vielleicht nicht ganz zu dem von Dir auch eingangs zitierten Klosterverständnis. Wie schaust Du auf diesen vermeintlichen Widerspruch im Geschäftsmodell?

    Florian Wieser: Ja, ich gebe Dir recht, auf den ersten Blick. Ich habe mal gesagt: Man soll sich vielleicht ein bisschen unabhängig machen von äußeren Einflüssen und jetzt, wie Du gesagt hast, Engel & Völkers steht für Luxusimmobilien, steht für einen Premiumanspruch und wir pflegen die Marke. Und Engel & Völkers steht auch dafür in allem, was wir tun. Ich habe trotzdem ganz, ganz viel von meinen Wertegerüst bei Engel & Völkers gefunden und ich habe, bevor ich dann zu Engel & Völkers gekommen bin, mich damit auch auseinandergesetzt. Und ich kann vielleicht ein paar Gedanken teilen, die ich gefunden habe und die für mich relevant waren. Wenn Du jetzt in unseren Markt als Engel & Völkers guckst. Wir sind im, wir nennen das im Residential-Immobilienmarkt, das heißt private Kunden, die ihre Immobilien verkaufen oder eine Immobilie kaufen möchten. Und das sind für die meisten unserer Kunden Entscheidungen, also sehr emotionale Entscheidungen, auch wirtschaftlich sehr bedeutende Entscheidungen. Und die treffen sie in ihrem Leben typischerweise nicht so oft. Manche Menschen nur einmal, manche Menschen ein paar Mal. Und wenn Du auf den Gesamtmarkt guckst, den Markt für Immobilienmakler: Das ist insgesamt ein sehr fragmentierter Markt. Es gibt sehr, sehr viele Anbieter und es gibt insgesamt sehr wenige Standards, sehr wenig Regulierung. Und was mir bei Engel & Völkers gut gefallen hat, ist der Anspruch, den das Unternehmen hat und den wir auch versuchen und da auch wirklich sehr, sehr viel Fokus darauf legen, dem Anspruch gerecht zu werden: Professionalität und Integrität im Handeln. Unser Anspruch ist es, unsere Kunden von dem ersten Kauf- oder Verkaufsinteresse bis hin zur finalen Transaktion durchgängig zu beraten, One-Stop-Shop sozusagen, und dort eine gute, dem Kunden dienende Beratung zu liefern. Deshalb sprechen wir auch bei uns jetzt immer weniger von Immobilienmaklern, sondern wir sprechen von Advisorn, weil das ist der Anspruch, dem wir gerecht werden wollen, den wir an unsere Immobilienmakler, den wir an die Makler anlegen. Ich glaube, das ist so dieses Eine: Wie agieren wir im Markt und wie gehen wir mit Kunden um? Und vielleicht auch als konkretes Beispiel: Wir hatten jetzt vor Kurzem wieder eine größere Transaktion, ein sehr interessantes Objekt, und hätten da eine gute Courtage verdient. Das ist ja das Geschäftsmodell. Wenn eine Immobilie verkauft wird, verdienen wir an der Courtage, die bezahlt wird. Und wir hätten die Transaktion durchführen können. Aber wir hätten sie nicht guten Gewissens durchführen können, weil es war dann mittelbar nicht ganz klar, ob alle Anforderungen, die der Käufer mitbringen soll, Sanktionslisten, Screening, Geldwäsche, alles was da so bei diesen Immobilientransaktionen mitschwingt, ob dann alles wirklich auch mittelbar, nicht nur unmittelbar bei dem direkten Käufer, sondern auch mittelbar dann erfüllt ist. Und obwohl dann der Legal-Check, also dass der Rechtsbereich gesagt hat: Ja, Ihr könnt die Transaktion machen. Wir haben uns trotzdem in der Geschäftsrunde dagegen entschieden, die Transaktion zu machen, weil wir gesagt haben, das passt nicht zu uns, das passt nicht zu unseren Werten. Also Integrität und Professionalität im Auftreten und im Geschäft sind uns da wichtig und das habe ich in den Gesprächen gefunden, bevor ich zu Engel & Völkers gekommen bin und ich sehe es auch im täglichen Doing.

    Rainer Münch: Ich möchte gerne nochmal zurückkommen auf den Immobilienmakler. Und ich habe da auch ein bisschen quergelesen. Was sind da so aktuelle Perspektiven auch aus der Bevölkerung? Unter anderem bin ich da auf eine Befragung gestoßen von jungen Menschen von 18 bis 31. Da haben mehr als die Hälfte zum Ausdruck gebracht, dass sie wenig bis sehr wenig Vertrauen haben in Immobilienmakler. Natürlich, ich habe es angesprochen, gibt es da diesen Verkaufsdruck natürlich auch und diese Abhängigkeit von Courtage und den Provisionen. Glaubst Du, dass dieser Kontext es den Individuen einfach auch besonders schwierig macht, im Einklang mit ihrer Haltung die richtigen Dinge zu tun und vielleicht so eine Situation, wie Du sie jetzt für Engel & Völkers ganzheitlich geschildert hast, so zu entscheiden? Oder was glaubst Du ist da die Auflösung aus diesem Spannungsfeld?

    Florian Wieser: Ja. Zum Hintergrund, warum vielleicht auch dann solche Umfragen zustande kommen. Auch bei uns bei Engel & Völkers sind die Immobilienmakler oder die Advisor, wir sie nennen, ganz, ganz überwiegend selbstständig. Das sind unabhängige, unabhängig tätige Makler und die verdienen ihren Lebensunterhalt aus erfolgreichen Transaktionen. Das heißt so typische Sicherheitsnetze aus einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gibt es da nicht. Nehmen wir mal so einen Makler, der frisch anfängt, der sich entscheidet, ich will Immobilienmakler werden. Bei Engel & Völkers durchläuft er dann erstmal eine Ausbildung. Das heißt wir legen sehr, sehr großen Wert darauf, dass der Makler geschult wird, dass er die Mindeststandards kennt, dass er weiß wie eine Akquise funktioniert, wie ein Listing funktioniert, wie die Transaktion als solche funktioniert, was Fallstricke sind. Dann muss er erstmal seine ersten Kunden, seine ersten Objekte akquirieren, dann den jeweiligen Counterpart finden und dann, bis die Transaktion und die Courtage auf seinem Konto landet, können dann fünf bis sechs Monate vergehen. Und in all der Zeit verdient ein neuer Immobilienmakler erstmal kein Geld. Der Markt ist sehr fragmentiert, das heißt es gibt sehr, sehr viele, die sich auf dem Markt tummeln und die Standards sind nicht ausgeprägt. Dann ist natürlich schon mal vielleicht die schnelle Mark dem einen oder anderen Makler wichtiger oder lieber als dann eine nachhaltig solide und werteorientierte Geschäftspolitik. Deshalb: Ich kann das vor dem Hintergrund verstehen. Wie wir das auflösen? Unser Anspruch ist es: Wir wollen, dass jeder Advisor, dass wir ihn in die Lage versetzen, seine persönliche Erfolgsgeschichte bei Engel & Völkers zu schreiben. Das ist so das Credo, das wir haben. Und dafür arbeiten wir hart. Ich habe gerade diese Ausbildung angesprochen. Wir nennen das die Academy. Gleichzeitig sorgen wir dafür, dass unsere Advisor Leads bekommen, also Verkaufsinteressenten oder Kaufinteressenten. Es gibt viele Advisor, die sind sehr erfolgreich, die sind sehr diszipliniert, haben eine hohe Vermittlungskompetenz, sind sehr erfolgreich in dem, was sie tun. Und dann gibt es auch andere Advisor, die kriegen das nicht hin, die machen zu wenige Transaktionen und können am Ende des Tages davon nicht leben. Und wie lösen wir das auf? Wir arbeiten hart daran, jeden erfolgreich zu machen. Auf der anderen Seite ist das nicht in jedem Fall möglich. Und wir weisen auch auf die Kehrseite des Ganzen hin, auf die Kehrseite der Medaille.

    Rainer Münch: Was müsste aus Deiner Sicht passieren, damit in – ich sage jetzt mal zehn Jahren – bei so einer Umfrage herauskommt, dass 90 Prozent den Immobilienmaklern vertrauen?

    Florian Wieser: Ich glaube, die professionellen Standards müssen sich verbessern. Der Markt ist unglaublich fragmentiert. Es gibt keinen einzigen, der zweistellige Marktanteile hätte, sondern es gibt sehr, sehr viele, die das nebenbei machen, die die Standards nicht haben und ich habe Zweifel, dass wir in zehn Jahren 90 Prozent Zustimmung auf die Frage kriegen würden. Das liegt aber auch so ein bisschen in der Natur der Sache. Wenn man Immobilientransaktionen macht und dann schon einen stattlichen Kaufpreis zahlen muss und dann kommt noch die Makler-Courtage am Schluss dazu – das ist, glaube ich, schon so ein grundsätzliches Geschäftsmodell oder ein Markt, wo dann 90 Prozent Zustimmung schwierig ist. Aber was muss geschehen? Wir müssen die Standards hochhalten, wir müssen den Markt weiter professionalisieren.

    Rainer Münch: Zum Abschluss möchte ich nochmal auf die persönliche Perspektive wechseln. Ich hatte Dich ja gebeten, aus dem Buch "Fragebogen von Max Frisch" eine Lebensfrage auszuwählen. Für welche hast Du Dich denn entschieden?

    Florian Wieser: Ich habe mich für die Frage "Haben Sie Humor, wenn Sie alleine sind?” entschieden.

    Rainer Münch: Warum? Und was ist Deine Antwort?

    Florian Wieser: Bei Max Frisch da waren ja sehr, sehr viele essentielle Lebensfragen, die da auftauchen. Ich fand die Frage sehr charmant und sie passt, finde ich gut zu dem Wert, über den wir heute gesprochen haben, zum Wert der Demut. Denn ja, wenn man über sich selber lachen kann, dann nimmt man sich nicht ganz so ernst und das ist eine schöne Komponente, die zur Demut passt und deshalb fand ich die Frage schön.

    Rainer Münch: Gibt es Situationen wo Du alleine bist und laut lachen musst und laut lachst?

    Florian Wieser: Ich lache sehr gerne, auch wenn ich alleine bin. Ich kann zum Beispiel sehr herzhaft lachen, wenn ich alleine eine Folge Stromberg gucke. Da kann ich immer wirklich auch alleine herzhaft lachen. Aber klar, wenn man zusammen ist in einer größeren Gruppe, lacht es sich immer noch viel schöner. Aber ich kriege das dann doch ab und zu auch alleine hin.

    Rainer Münch: Als ich diese Fragen gesehen habe, und da gibt es halt eben auch die zum Humor, gibt es da noch eine zweite Humorfrage, die ich gerne nachschieben würde, und zwar: “Wenn Sie von einem Menschen sagen, er habe Humor, meinen Sie damit, dass er Sie zum Lachen bringt, oder dass es Ihnen gelingt, ihn zum Lachen zu bringen?”

    Florian Wieser: Ja, ich finde persönlich immer: Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Und das trifft so ein bisschen beides.

    Rainer Münch: Also Ich finde, das ist eine sehr entlarvende Frage, die eben einfach sozusagen nochmal diesen Perspektivwechsel auch forciert. Und Du hattest es ja auch angesprochen mit der Egozentrik. Bei mir zumindest hat es das ausgelöst zu sagen: Ja, das ist eigentlich gar nicht so einfach, die Antwort auf die Frage, weil man natürlich finde ich dieses "ein Mensch ist humorvoll" damit verbindet, dass man viel zusammen lacht. Ja, und dann gar nicht unbedingt darüber nachdenkt, ob die Person über einen lacht oder eben einen zum Lachen bringt. Aber ich finde Deine Antwort auch da treffend. Am Ende geht es um das gemeinsame Lachen und um das gemeinsame, ich sage jetzt mal, fröhlich sein. Und eben nicht so sehr darum, wo die Quelle liegt.

    Florian Wieser: Ja, das hast Du mal schön gesagt. Also die erste Frage, die durfte ich mir ja aussuchen. Die zweite kam jetzt spontan. Aber ich glaube der Aspekt, den Du gerade gesagt hast, der ist sehr schön, weil es darf am Ende gar nicht darum gehen, dass man jemanden bewusst zum Lachen bringen muss, sondern es geht um das Lachen selbst, und den Spaß an der Freude an sich. Und Du hast das gerade, ich kann es gar nicht, ich verschlimmbessere es nur, Du hast das gerade sehr schön gesagt.

    Rainer Münch: Dann haben wir doch einen schönen Abschluss, indem wir über das Lachen und das gemeinsame Lachen sprechen. Lieber Florian, herzlichen Dank für das Gespräch. Es war mir eine große Freude. Ich hoffe, Dir auch.

     

    Florian Wieser: Vielen Dank. Es hat sehr viel Spaß gemacht. Und nochmals vielen herzlichen Dank für die Einladung.

     

Autoren
  • Florian Wieser und
  • Rainer Münch