Hansueli Loosli hat in seiner mehr als 30-jährigen Tätigkeit, davon 24 Jahre als Vorsitzender der Geschäftsleitung und Verwaltungsratspräsident, das Schweizer Handelsunternehmen Coop zu einem der renommiertesten Einzel- und Großhandelsunternehmen in Europa geformt. Coop deckt heute ein breites Spektrum von Formaten ab – von Warenhäusern über Supermärkte bis hin zu Cash + Carry/Foodservice, Restaurants, Produktionsbetrieben und Fachhändlern.
Nach seinem Ausscheiden aus der Coop-Gruppe ist er heute unter anderem Präsident des Verwaltungsrates der Schweizer Pilatus Flugzeugwerke AG und sitzt im Aufsichtsrat der SPAR Holding AG Österreich und der SPAR Österreichische Warenhandels-AG. Darüber hinaus unterstützt er die Deichmann SE im Beirat. Im Gespräch mit Oliver Wyman-Partner Rainer Münch erläutert er zentrale Erfolgsfaktoren im Handel und wagt einen Blick in dessen Zukunft.
Wie haben sich der Handel und dessen Beschäftigte seit Ihrem Einstieg in die Branche verändert?
Es hat sich eine Menge verändert; das gilt vor allem für die Sortimente. Gesunde Ernährung spielt heute eine viel größere Rolle und es gibt heute mehr vegane sowie vegetarische Angebote.
Aber im Kerngeschäft gilt weiterhin, dass man der Beste an seinem Platz sein muss. Ein guter Händler ist schnell und flexibel, aber auch bereit, zu lernen und sich anzupassen. Auch die Menschen im Handel haben sich stark verändert. Das gilt vor allem für das Know-how in den Zentralen. Da sind insbesondere in der IT und im Marketing heute ganz andere Qualifikationen gefragt als früher.
Wenn ich in die Filialen schaue, dann braucht es heute dort die besten Verkäuferinnen und Verkäufer und nicht mehr nur diejenigen, die große Tonnagen herumtragen oder möglichst schnell 100.000 Bestellungen ausführen können. Es geht um Kundennähe, Bedienung und Beratung, sowohl in der physischen als auch in der digitalen Welt. Und die Kunden und deren Bedürfnisse haben sich natürlich verändert.
Sie haben Coop während Ihrer Zeit auch in Richtung Großhandel diversifiziert und zugleich internationalisiert. Was waren Ihre Beweggründe und wie beurteilen Sie Ihre Strategie heute?
Coop hatte zu Beginn dieses Jahrhunderts das „Retail-Bein“ für Food und Non-Food. Aber wir hatten kein zweites Standbein. Wir wollten daher etwas aufbauen, das zu unseren Kernkompetenzen passt und auf vorhandenen Konsumtrends aufbaut. Die Leute hatten schon damals immer weniger Zeit zum Kochen. Daraus ergab sich ein Wachstumspotenzial im Außer-Haus-Konsum.
In dieser Zeit hatten wir dann auch ein bisschen Glück. Rewe war mit ihrem Schweiz-Engagement nicht glücklich und suchte einen Partner im Cash + Carry-Bereich. Ich habe dann 2004 mit dem damaligen Rewe-CEO Hans Reischl 2004 ausgemacht, dass wir uns zusammenschließen.
Das gemeinsame Großhandelsgeschäft expandierte in den Folgejahren nach Deutschland, Polen, Rumänien und Frankreich. Schließlich wollte Rewe aussteigen und wir haben Transgourmet Anfang 2011 ganz übernommen. Wir haben im Großhandel mit einem Umsatzvolumen von CHF 500 Mio. begonnen; heute macht Transgourmet 12 Milliarden.
Welche Erfolgsstrategien sehen Sie für den Handel im Streben nach Wertwachstum? Welche Rolle spielt dabei die Geschäftsdiversifikation?
Bevor Unternehmen an Diversifikation denken, sollten sie sich zuerst fragen: Wo ist mein Kerngeschäft und worauf lege ich meinen Fokus? Erst danach darf Diversifikation eine Überlegung sein.
Bei der Frage nach Erfolgsstrategien sollten sich Unternehmen auch klar machen, dass man heute alles im Prinzip weltweit beschaffen kann und nicht wie früher durch Logistik und Qualität stark eingeschränkt ist.
Darüber hinaus muss die IT-Seite top sein, denn sonst versteht das Unternehmen zu wenig über Kunden und Sortimente und echte Effizienz.
Hinzu kommt ein weiterer Faktor: „Handwerk, Handwerk, Handwerk!", da braucht es Profis. Das können Sie in der ganzen Welt sehen: Es sind diejenigen Unternehmen erfolgreich, die ihr Handwerk verstehen und nicht stehenbleiben.
Erfolgreiche Unternehmen investieren zudem konsequent 80% des Cashflows oder vielleicht auch mal 100%. Es holt einen immer irgendwann ein, wenn man hier kurzfristig optimiert, um den Gewinn zu stützen.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen für den Handel in den nächsten fünf bis zehn Jahren?
Es benötigt auf Kundenseite immer wieder neue Ideen, um zu den Besten zu zählen. Aber die größte Herausforderung sehe ich im Personalbedarf – in den Zentralen, in den Märkten und in der Logistik. Es gibt einen Wettbewerb mit anderen Branchen um die besten Leute. Und ohne die richtige Mannschaft ist Erfolg schwierig. Zudem glaube ich, dass die Margen nicht größer werden. Im besten Fall bleiben sie konstant, sie könnten aber auch sinken. Es braucht daher auf der Kostenseite regelmäßige Schritte, ansonsten geht die Rechnung nicht auf.
Wie würden Sie sich als Führungskraft beschreiben, was hat Sie erfolgreich gemacht?
Man muss Menschen mögen. Wenn Sie Menschen nicht mögen, sind Sie in der Führung am falschen Ort. Sie müssen sowohl die Kunden mögen als auch Ihre eigenen Leute motivieren können.
Zudem muss die Geschäftsleitung als Team funktionieren; fatal ist es, wenn jeder nur in seinem Silo denkt. Gegen solche Tendenzen muss man immer wieder kämpfen, egal in welcher Branche.
Für den Erfolg braucht es eine Mannschaft mit möglichst wenig Hierarchieebenen. Und Entscheidungsfreude auf Führungsebene. Wenn etwas falsch läuft, müssen Sie es korrigieren. Auf keinen Fall darf eine Führungskraft sagen, das müssen wir dann noch entscheiden und es dann nicht machen. Es kommt auf das Tun an!
Wie ist es Ihnen so regelmäßig gelungen, Ihre Geschäftsvisionen umzusetzen?
Allen voran hatte ich eine hungrige Mannschaft um mich herum. Für Führungskräfte heißt das, sie müssen fördern, aber auch fordern. Es braucht beides, ein Geben und Nehmen. Und als Chef ist es wichtig, voranzugehen und sich selbst reinzuknien. Das macht Eindruck. Damit gewinnen Sie neue Unterstützer, die auch zur Mannschaft kommen. Wenn eine gute Team- und Führungsdynamik aufgebaut wurde, ist es bei einem Misserfolg auch wieder einfacher, aufzustehen.
Zum Abschluss: Was ist Ihr wichtigster Tipp an eine Berufseinsteigerin, die sich für eine Management-Karriere im Handel interessiert?
Mache es und lerne das Geschäft von der Pike auf! Es gibt keine Branche, wo junge Leute so schnell so viele Leute führen und wo sie ihre Führungsqualitäten so systematisch weiterentwickeln können. Und sie können nirgendwo so schnell Karriere machen. Denn sie werden gesehen, jeden Tag, von Kunden, Kollegen und Chefs.
Es fällt sofort auf, wenn sie erfolgreich arbeiten, und es gibt viele Möglichkeiten, weiterzukommen. Einsatz, Glaubwürdigkeit und Vertrauen machen den Unterschied.