Für Corona-Helden folgt Kostenkater: Lebensmittelhandel wird teurer

München – Hamsterkäufe, Mund-Nase-Schutz und Abstandsregelungen: Covid-19 hat bereits von Beginn an großen Einfluss auf den Lebensmitteleinzelhandel. Doch auch mittelfristig werden sich die Folgen des Coronavirus stark auf die Branche auswirken: Laut einer aktuellen Oliver Wyman-Analyse wird der Lebensmitteleinzelhandel im Zuge der Wiederaufnahme des öffentlichen Lebens mit einer Kostensteigerung von bis zu 6 Prozent konfrontiert werden. Wesentliche Einflussfaktoren sind Regulierung, Personalaufwand, Onlineeinkauf und Risikomanagement.
 

Allmählich lockern die Bundesregierung und Länder die Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen in Deutschland. Eine flächendeckende Immunität oder ein sicherer Impfstoff scheinen noch weit entfernt. Folglich werden Konsumenten noch lange mit den Folgen des Coronavirus leben müssen, das wird sich auch auf den Handel auswirken: Laut einer Analyse der internationalen Strategieberatung Oliver Wyman führen die neuen Covid-19-Anforderungen je nach Szenario mittelfristig zu einer Kostensteigerung von bis zu 6 Prozent.


Strengere Hygieneanforderungen

Teil der neuen Anforderungen an den Handel sind etwa die zusätzlichen Hygieneregelungen, die zum einen eine Steigerung der Reinigungskosten mit sich bringen, zum anderen aber auch dafür Sorge tragen, dass die Produktivität der Mitarbeitenden leidet. Einen weiteren Kostenblock stellt die erforderliche Hygieneausstattung dar, etwa um das Personal dauerhaft mit Mund-Nase-Schutz und Desinfektionsmittel auszustatten. Zudem müssen die Märkte für zusätzliche Sicherheitstechnik oder Personal sorgen, um den Mindestabstand der Kunden gewährleisten zu können. Die Zusatzkosten dieser Hygieneregelungen werden sich auf bis zu 0,7 Prozent des Umsatzes belaufen.


Personalaufwand wächst

Auch der Blick in die Zentrale und in den Einkauf zeigt eine voraussichtliche Kostensteigerung, denn Reisebeschränkungen und die Einhaltung von Mindestabständen führen zu höherem Personalbedarf: „Händler müssen sich absichern, dass sie auch bei Ausfällen und höherer Flexibilität im Personaleinsatz genug Mitarbeitende haben, um einen reibungslosen Geschäftsprozess sicherzustellen“, sagt Rainer Münch, Partner und Leiter der Handels- und Konsumgüter-Practice bei Oliver Wyman in Deutschland. Das bedeute jedoch auch, dass das bestehende Personal weniger effizient einsetzbar sei. Zudem müsse im Zuge der öffentlichen Debatte über die Entlohnung systemkritischer Berufe mit Lohnerhöhungen im Handel gerechnet werden. Gemessen am Umsatz könnten die Personaleffekte in Summe zu einer Kostensteigerung von bis zu 2,1 Prozent führen.


Onlineeinkauf wird wichtiger

Viele Digitalunternehmen profitieren von der Krise. Auch im Lebensmitteleinzelhandel wächst die Nachfrage nach Online- und Click&Collect-Lieferungen. „Aus unserer Sicht sind diese Umsätze jedoch in erster Linie eine Kannibalisierung von Filialumsätzen, kein zusätzlicher Ertrag“, sagt Münch. Mittelfristig entstehen für Händler durch den steigenden Onlineanteil höhere Kosten in der Marktbearbeitung. Aufgrund der absolut gesehen immer noch sehr geringen Bedeutung von E-Food, dürfte sich dieser Kosteneffekt mittelfristig jedoch auf höchstens 0,1 Prozent des Umsatzes belaufen. Zugleich werden die Händler laut Münch den Onlinelebensmittelhandel weiter mit dem Ausbau von Kapazitäten vorantreiben müssen, um bei wachsendem Bedarf keine Marktanteile zu verlieren.


Strukturverschiebungen im Wareneinkauf

Um Engpässe bei bestimmten Warengruppen in Zukunft zu vermeiden und agiler auf neue Verhaltensmuster reagieren zu können, müssen laut Münch die Bezugsquellen überprüft und hinterfragt werden: „Händler könnten sich punktuell weniger abhängig von ausländischen Produzenten machen und noch mehr auf regionale Hersteller setzen“. Außerdem zeige diese Krise einmal mehr, wie wichtig es sei, Lieferketten durch Pandemiepläne abzusichern. „Liquidität, Redundanzen im Personal und kritische Produktionsabläufe sind hier die wichtigsten Stichworte.“ Hinzu komme die Schaffung von mehr Lager- und Transportmöglichkeiten sowie eine höhere Bevorratung ausgewählter Warengruppen. „Trotz hoher Fabrikauslastung während der Corona-Spitzen werden viele Hersteller die Händler mit strukturbedingten Preiserhöhungen konfrontieren.“ In Summe könnte die Wareneinkaufsdynamik eine Kostensteigerung von bis zu 3,1 Prozent des Umsatzes bedeuten.


Besseres Kostenmanagement gegen höhere Endkundenpreise

Sollten die Händler diese Mehrkosten nicht durch anderweitige Optimierungsmaßnahmen kompensieren können, müssten sie zu Teilen oder vollständig an die Konsumenten weitergegeben werden, um ihre Gewinnmarge zu sichern. „Während der Corona-Spitze wurden die Mehrkosten auch durch den Rückbau von Preisaktionen unterstützt. Mit der Rückkehr zur Normalität wird diese Form der Kostenkompensation wegfallen“, sagt Münch. Eine umfassende Kostenweitergabe an die Konsumenten hält Münch angesichts der Wettbewerbssituation im deutschen Lebensmitteleinzelhandel jedoch für ausgeschlossen. „Zur Kompensation unseres Worst-Case-Szenarios müssten die Händler beispielsweise die Preise für Frischprodukte um 20 Prozent erhöhen. Das ist undenkbar.“

Konkret sollten Lebensmittelhändler deshalb strukturelle Kostenveränderungen nach Covid-19 angehen. „Hierbei ist eine ganzheitliche Betrachtung über alle Kostenblöcke wichtig, von der neuen Filialorganisation, einer risikogesteuerten Supply Chain bis zur Hinterfragung von Zentralfunktionen“, sagt Münch. Die Krise habe gezeigt: Gerade Lieferanten- und Risikomanagement sind essenziell und sollten entsprechend priorisiert werden. Jetzt sei der Zeitpunkt für ganzheitliche Kostensenkungsprogramme, um Preiserhöhungen zu vermeiden.

Zudem müsse man vom Krisenprogramm schrittweise zu neuen Standardprozessen kommen und noch konsequenter in die Digitalisierung der Filialprozesse investieren. Laut Münch beträfe das „Self-Checkout-Kassen und Kundenzähler bis hin zur Roboterunterstützung bei der Bestandskontrolle“.


PRESSEKONTAKT
Katryna Nolan
Communications Associate DACH
Oliver Wyman GmbH
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ÜBER OLIVER WYMAN
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