Studie: Österreichs Konsumenten hoffen auf gesetzliche Preisdeckel im Supermarkt
27. Dezember 2022
Wien – Angesichts der hohen Preissteigerungen im Lebensmittelsektor wächst der Ruf nach staatlichen Eingriffen. 93 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher in Österreich stehen gesetzlich festgelegten Preisobergrenzen oder Subventionen für Lebensmittel positiv gegenüber. Nur sieben Prozent sind dagegen der Ansicht, dass die Regierung sich aus der Preisbildung heraushalten sollte. Das ist ein zentrales Ergebnis einer Konsumentenbefragung der Strategieberatung Oliver Wyman. Die Teuerung treibt derweil mehr Kundschaft in die Discounter – zu Lasten von Bio- und Großflächenmärkten. Klassische Supermärkte behaupten hingegen ihre Position und halten mit ihren günstigen Eigenmarken ein gutes Instrument für die sich abzeichnende Preisschlacht in der Hand.
Anti-Teuerungspaket und Stromkostenbremse: Mit solchen Hilfsangeboten hat die Regierung in der Krise vorgelegt – nun fordert ein Großteil der Verbraucherinnen und Verbraucher auch beim Lebensmitteleinkauf Rückendeckung vom Staat. Laut einer repräsentativen Befragung der Strategieberatung Oliver Wyman hält die überwiegende Mehrheit (93 Prozent) Interventionen für geboten. Nur sieben Prozent lehnen staatliche Eingriffe am Supermarktregal ab. „Die Kundschaft erlebt die Teuerung bei Lebensmitteln als so schwerwiegend, dass sie alle Wege nutzen möchte, um wieder günstiger einkaufen zu können“, erläutert Vanessa Seip, Studienleiterin und Principal bei Oliver Wyman in der Handels- und Konsumgüter-Praxisgruppe, die Ende Oktober erhobenen Zahlen. 1.000 Konsumentinnen und Konsumenten wurden in Österreich befragt.
Doch wie sind die stark gestiegenen Preise in den Griff zu bekommen? An Vorschlägen für staatliches Eingreifen mangelt es nicht. 47 Prozent der Befragten befürworten eine Obergrenze für Preissteigerungen je nach Produktgruppe, 41 Prozent sehen staatlich gesetzte Preisdeckel als Lösung, 21 Prozent fordern die Erlaubnis für Kampfpreise auch unter Einstandsniveau. Immerhin noch acht Prozent fänden es richtig, wenn Kantinenessen staatlich subventioniert würde. „Die Unzufriedenheit mit der Situation setzt Handelsunternehmen und letztlich auch die Hersteller unter Druck“, sagt Seip. „Anders als in der Coronakrise, als Verbraucher ihren Händlern und deren Schutzkonzepten ein gutes Zeugnis ausgestellt haben, fühlen sie sich in Zeiten der Inflation alleingelassen.“
Kundenbindung leidet unter dem Preisdruck
Im europäischen Vergleich sind Österreichs Verbraucher zufriedener mit dem Einzelhandel: Die Hälfte (52 Prozent) bewertet die Leistungen als gut oder sehr gut, während dies im Durschnitt nur für 32 Prozent der Konsumenten in den sechs untersuchten Ländern gilt. Als besonders kritisch erweisen sich in Österreich die jungen Verbraucher zwischen 18 und 24 Jahren, von denen nur etwa jeder Dritte (37 Prozent) dem Einzelhandel eine gute oder sehr gute Leistung attestiert.
„Der Handel in Österreich scheint aus Kundensicht vieles richtig gemacht zu haben, so dass die Zufriedenheit im Vergleich zu anderen europäischen Ländern höher ausfällt. Doch Lieferengpässe und insbesondere die Teuerung haben auch hier ihre Spuren hinterlassen. Es wäre zu früh, von einer Vertrauenskrise zu sprechen, aber die Unruhe im Markt ist spürbar – und enttäuschte Erwartungen gefährden auch die Kundenbindung“, sagt Alexander Pöhl, Partner der Praxisgruppe Handel und Konsumgüter bei Oliver Wyman. Er hält eine emphatische Kundenansprache in der gegenwärtigen Phase für essenziell. Ein Viertel der Verbraucher hat laut Umfrage im vergangenen Jahr den Haupteinkaufsort gewechselt. Vor allem Jüngere kehrten ihrem Stammladen den Rücken: So wechselten nach eigener Auskunft 38 Prozent der 18- bis 24-Jährigen den Einkaufsort.
Der neue Weg führt meist zum Discounter. Bei der Frage nach dem Haupteinkaufskort legte diese Handelsform binnen Jahresfrist um 4,5 Prozentpunkte zu. Aktuell sind Discounter für 42 Prozent der Befragten der wesentliche Einkaufsort, 32 Prozent nannten klassische Supermärkte, 20 Prozent bevorzugen Großflächenanbieter. Immer enger wird es für reine Bio-Supermärkte: Sie stellen nur noch für einen harten Kern von einem Prozent den bevorzugten Einkaufsort dar, weniger als halb so viel wie 2021. Für lediglich zwei Prozent sind es Online-Supermärkte und Express-Lieferdienste.
Supermärkte kontern spürbar mit Eigenmarken
Im Massengeschäft schwelt seit Jahren ein Kampf zwischen Discountern und klassischen Supermärkten, bei dem in der harten Corona-Phase das Argument des „One-Stop-Shopping“ das Pendel zugunsten der Supermärkte ausschlagen ließ. „Vor dem Hintergrund knapper Haushaltskassen wird der Preis noch stärker zum entscheidenden Faktor, der Bequemlichkeits- und Sicherheitsbonus ist aufgebraucht“, so Handelsexperte Pöhl. Allerdings spielen auch Supermärkte zunehmend die Preiskarte – eine naheliegende und erfolgversprechende Marketingstrategie, sagt Pöhl. „Über ihre Eigenmarken mit niedrigem Preispunkt können sie Discountern die Stirn bieten.“
Dass die Eigenmarken-Taktik funktionieren kann, beweist auch die Umfrage: 38 Prozent der Befragten hatten den Eindruck, dass sich der Preisabstand zwischen Discountern und Supermärkten zuletzt verringert hat. Nur 15 Prozent empfanden den Abstand als größer. „Die größte Chance der Supermärkte besteht gegenwärtig darin, den Preiswettbewerb anzunehmen“, sagt Seip. 48 Prozent der Befragten gaben an, mehr Eigenmarken als zuvor zu kaufen. 28 Prozent bleiben nach Selbsteinschätzung markenbewusst, aber achten zugleich verstärkt auf den Preis. 20 bzw. 23 Prozent der Konsumenten nannten als ihre persönliche Sparstrategie, verstärkt größere Packungen zu kaufen oder mehr selbst zu kochen. Nur 13 Prozent sagten, die Preiskrise lasse sie kalt.
Konsumenten erwägen Verzicht auf Lieblingsspeisen
Spannend wird sein, inwieweit die veränderte Stimmung den Lebensmittelkonsum im Weihnachtsgeschäft beeinträchtigt hat. Gab es den Festtagsbraten in der preisgünstigen Tiefkühl-Version? Oder wurde eine Ausnahme gemacht? „Für eine abschließende Analyse ist es noch zu früh“, sagt Vanessa Seip. „Fest steht, dass aus Verbrauchersicht alle Kategorien spürbar teurer geworden sind, aber Fleisch, Eier und Milcherzeugnisse an der Spitze der verteuerten Artikel stehen.“ Damit könnte der traditionell hohe Fleischkonsum zu Weihnachten womöglich in vielen Haushalten zur Debatte gestanden haben.
Bei der Frage nach der Schuld an den Preissteigerungen herrscht ein Patt: 29 Prozent sehen die Verantwortlichen in den Reihen der Hersteller, 23 Prozent verorten die Hauptschuld bei den Händlern – der Rest ist unentschieden. Immerhin würden sich 67 Prozent der Befragten wünschen, dass ihr Händler nun im Einkauf hart um Preise mit den Herstellern ringt. Mehr als ein Drittel von ihnen würde in der Konsequenz eines solchen Konflikts auch einen Lieferstopp in Kauf nehmen – und auf das eigene Lieblingsprodukt zumindest eine Zeitlang verzichten.
Über die Studie
Die Studienreihe befragt Konsumenten zu ihrer Stimmungslage beim Lebensmitteleinkauf. Im Oktober 2022 wurden insgesamt 7.000 Konsumenten in sechs europäischen Ländern (Österreich, Deutschland, Frankreich, Spanien, Niederlande, Großbritannien), 1.000 davon in Österreich, vor dem Hintergrund der derzeitigen Krisen (Krieg in der Ukraine, Inflation) befragt.
Über Oliver Wyman
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