// . //  Publikationen //  Der Einfluss von ESG-Kriterien auf Restrukturierungen

Das Pariser Klimaabkommen und die daraus resultierenden Ziele für die Europäische Union gewinnen zunehmend an Relevanz für deutsche Unternehmen hinsichtlich der Rahmenbedingungen und Kriterien in den Bereichen Environmental, Social & Governance (ESG). Diese sind sowohl direkt getrieben durch die Anforderungen der Europäischen Union an Unternehmen als auch indirekt über Anforderungen der Fremdkapitalgeber bei Unternehmensfinanzierungen. 

In diesem Zusammenhang wurde im November 2022 mit der „Corporate Sustainability Reporting Directive“ (CSRD) ein neuer Reportingstandard für ESG-Kriterien durch die EU verabschiedet, welcher bis 2028 von knapp 50.000 Unternehmen erfüllt werden muss. Gleichzeitig fordern Banken – sowohl getrieben durch EU-Regularien (insb. ESRS, d.h. Sicherstellung des 1,5°C-Ziels und Klimaneutralität bis 2050) als auch aufgrund der Risikostreuung und Diversifikation – eine deutliche Verbesserung der ESG-Performance bei ihren Kreditnehmern. Dies betrifft insbesondere CO2-intensive Branchen wie etwa Automotive, Energieerzeugung, Eisen & Stahl sowie Öl & Gas.

Im Rahmen der Studie wurde eine Bankenumfrage durchgeführt, an der mehr als 11 deutsche (Groß-) Banken teilgenommen haben. Diese evaluiert zunächst die generelle Sicht der Finanzierer auf die aktuellen ESG-Anforderungen bei der Kreditvergabe und richtet dann einen besonderen Fokus auf Restrukturierungssituationen.

Über 95% der Studienteilnehmer sehen eine weiter zunehmende Relevanz der ESG-Anforderungen bei Finanzierungsentscheidungen und sehen sich in Summe dafür auch gut gerüstet.

Die Rolle der ESG-Kriterien in der Kreditvergabe

Bereits heute spielen bei knapp 90% der befragten Banken ESG-Kriterien eine Rolle in der Kreditvergabe und beeinflussen die Finanzierung. Dabei stellen ein Drittel der Kreditinstitute geringere Anforderungen an Bestandskunden im Vergleich zu Neukunden. Unter den 3 Top-Kriterien an ESG-Anforderungen sind laut Aussage der Banken mit „CO2 Reduktionszielen / Transition Plan“ und „absoluter CO2 Footprint“ zwei Umweltziele („E“) und mit „Arbeitsbedingungen“ auch ein soziales Ziel („S“) vertreten. Relative und somit besser vergleichbare Faktoren wie etwa der CO2 Intensitätsquotient (d.h. Ausstoß an CO2 pro eine Mio. € Umsatz) spielen heute noch eine untergeordnete Rolle. Es wird erwartet, dass die aktuell eher qualitativ erfolgende Bewertung hin zu einer eher quantitativen entwickelt werden soll. 


Quelle: Oliver Wyman ESG Bankenumfrage mit Fokus auf Restrukturierungssituationen


Die Umfrage zeigt, dass Umweltkriterien („E“) innerhalb der ESG-Kriterien bei den befragten Banken den mit Abstand höchsten Stellenwert einnehmen.

Die ESG-Performance eines Unternehmens wird jedoch unterschiedlich gemessen. Je ungefähr 50% der Teilnehmer nutzen ausschließlich interne ESG Ratings bzw. eine Kombination aus internen und externen Ratings. Die Bewertung der ESG Performance ist jedoch weiterhin herausfordernd, insbesondere aufgrund fehlender allgemeingültiger Definition der ESG Kriterien, mangelnder Vergleichbarkeit und mangelnder Datenverfügbarkeit.

Circa zwei von drei Banken sehen zudem bessere Kreditkonditionen für Unternehmen mit einer positiven ESG-Performance. Allerdings sagen auch >40% der Teilnehmer, dass eine schlechte ESG-Performance keinen Einfluss auf die Kreditkonditionen hat. Wenn die Kreditkonditionen jedoch von der ESG-Performance betroffen sind, wirkt sich dies v.a. beim Zinssatz, Laufzeiten und Covenants aus.

Sektorspezifische Reduktionsziele

Neben den Ausschlusslisten, die sich die Banken selbst auferlegt haben (z.B. keine Finanzierung neuer Kohlekraftwerke), spielen sektorspezifische Reduktionsziele, welche v.a. auf Basis des Pariser Klimaabkommens abgleitet werden, eine zunehmende Rolle. Denn bereits zwei Drittel der befragten Kreditinstitute haben ihre sektorspezifischen Reduktionsziele final definiert, der Rest will dies bis Ende 2024 nachholen. Betroffene Sektoren sind vor allem die energieintensiven Industrien Öl & Gas, Eisen & Stahl, Automotive, Energieerzeugung und Zement. Inwieweit die selbst gesetzten sektorspezifischen Reduktionsziele Einfluss auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit haben, ist für Banken noch schwer abzusehen. Interessanterweise sehen die befragten Teilnehmer darin tendenziell entweder keinen Einfluss oder sogar einen positiven Einfluss auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit.

Ferner gibt ein substanzieller Teil der Banken an, den Anteil ausgewählter energieintensiver Sektoren (v.a. Öl & Gas, Eisen & Stahl, Automotive und Energiesektor) in ihren Kreditportfolios zu deckeln – eine Gefahr für die Finanzierung dieser Sektoren und ein Verdrängungswettbewerb innerhalb der betroffenen Industrien droht.

ESG-Kriterien in Restrukturierungssituationen

Bisher spielten ESG-Kriterien in Restrukturierungssituationen eine geringe bis gar keine Rolle. Nach der Einschätzung der befragten Workout-Banker wird sich dies in den kommenden Jahren jedoch signifikant ändern. Dabei werden in Restrukturierungssituationen typischerweise die gleichen ESG-Kriterien angelegt wie in der konventionellen Kreditvergabe – jedoch nehmen diese meist mit zunehmenden Krisenstadium ab, da der Fortbestand des Unternehmens Vorrang hat. Daneben geben alle Befragten an, dass im Falle von mehreren Finanzierern bzw. Bankenkonsortien die unterschiedlich hohen Anforderungen an die ESG-Kriterien der einzelnen Häuser zu zusätzlichen Herausforderungen führen. Der (Re)-Finanzierungsprozesses wird voraussichtlich schwieriger.

Zudem sind sich die befragten Experten uneins, ob ein Unternehmen, dessen Sanierungskonzept ESG-Aspekte überhaupt nicht berücksichtigt, dennoch als „sanierungsfähig“ eingestuft werden kann. Gleichzeitig ist die Bereitschaft zusätzliche ESG-Maßnahmen im Rahmen der Sanierung zu finanzieren von zwei Dritteln der Finanzierer als gering (56%) oder sehr gering (11%) eingestuft worden.

Darüber hinaus müssen in Sanierungskonzepten die ESG-Kriterien und ESG-Performance aus Sicht der Finanzierer insbesondere in Bezug auf das Geschäftsmodell, den Einfluss auf die Finanz- und Vermögenslage sowie den Einfluss auf das Kunden- und Konsumentenverhalten detailliert beschrieben werden.

Es lässt sich festhalten, dass in Restrukturierungssituationen – trotz der steigenden ESG-Relevanz – die Sanierung des Unternehmens im Vordergrund steht und letztendlich im Einzelfall entschieden wird. Jedoch besteht ein erhebliches Risiko für Unternehmen bestimmter Industrien, dass Banken aus ESG-Portfolio-Gesichtspunkten und/oder strategischen Entscheidungen für bestimmte energieintensive Sektoren künftig keine Finanzierung mehr gewähren – auch wenn sämtliche ESG-Anforderungen erfüllt sind.

Wenn Sie die Studienergebnisse in Gänze erhalten möchten, wenden Sie sich bitte an maximilian.majic@oliverwyman.com.